Bundesbank-Konzept für Reform von Schuldenbremse bringt keine rasche Entlastung

Berlin/Frankfurt (Reuters) – Die Bundesbank schlägt eine Reform der Schuldenbremse vor, die im Bundeshaushalt ab 2028 deutlich mehr Schulden ermöglichen würde.

Für 2026 und 2027 ergäbe sich nur ein zusätzlicher Spielraum von insgesamt zwei Milliarden Euro, wie aus dem am Dienstag veröffentlichten Vorschlag der deutschen Zentralbank hervorgeht. Für die aktuell laufenden Sondierungsgespräche von Union und SPD zur Bildung einer neuen Bundesregierung bringt das Papier kurzfristig keine Entlastung. Dort wird um die Finanzierung von dreistelligen Milliardenbeträgen für Verteidigung und Infrastruktur gerungen – vermutlich in Form von sogenannten Sondervermögen.

Anstelle von Sondervermögen plädiert die Bundesbank für eine Reform der im Grundgesetz verankerten Schuldenbremse. “Wir bevorzugen eine grundlegende Reform der Schuldenbremse, die bessere Planbarkeit bietet”, sagte Bundesbank-Präsident Joachim Nagel (SPD). “Ein Sondervermögen mit vergleichbarem finanziellen Rahmen wäre aber ebenfalls möglich.” Auch damit ließen sich laut Bundesbank ähnliche Kreditspielräume und Investitionen umsetzen. Kreditfinanzierte Sondervermögen könnten befristet oder dem Volumen nach begrenzt werden.

VERSCHULDUNGSSPIELRAUM VON BIS ZU 1,4 PROZENT DES BIP

Die Bundesbank begründete ihren Vorschlag damit, dass das Konzept notwendige Maßnahmen zur Stärkung von Infrastruktur und Verteidigung stütze. Zugleich würden langfristig tragfähige Staatsfinanzen im Einklang mit europäischen Vorgaben gesichert. Konkret schlägt die Zentralbank vor, den europäischen Zielwert einer Schuldenstandsquote von 60 Prozent als Messlatte zu nehmen. Daran soll sich die Höhe der zulässigen Neuverschuldung orientieren. Zudem soll ein Teil des zusätzlichen Spielraums für Verschuldung ausschließlich für Investitionen reserviert sein.

Die Bundesbank will die Kreditspielräume des Bundes von 0,35 Prozent auf höchstens 1,4 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) erhöhen – vorausgesetzt, dass die Schuldenquote unter 60 Prozent liegt. Davon sollen 0,5 Prozent des BIP ohne Verwendungsvorgaben sowie 0,9 Prozent des BIP ausschließlich für zusätzliche Investitionen verwendet werden dürfen.

BIS 2030 ZUSÄTZLICHER SPIELRAUM VON MINDESTENS 99 MRD EURO

Kurzfristig wird die Schuldenstandsquote in Deutschland aber nicht unter 60 Prozent fallen – von aktuell gut 63 Prozent. Mindestens bis 2028 dürfte die Marke nach früheren Prognosen überschritten werden, wenngleich Deutschland im internationalen Vergleich sehr gut dasteht. Daher käme in den nächsten Jahren im Fall einer Umsetzung des Bundesbank-Konzepts der zweite Teil des Vorschlages zum Tragen. Überschreitet die Schuldenquote die 60-Prozent-Marke, soll der neue Spielraum von 0,9 Prozent für Investitionen bestehen bleiben. Der 0,5-Prozent-Sockel würde dann entfallen.

In beiden Fällen seien die Grenzen höher als bei der derzeitigen Schuldenbremse mit einer vom Schuldenstand unabhängigen Obergrenze von 0,35 Prozent des BIP, argumentierte die Bundesbank. Gleichzeitig seien die Vorgaben inhaltlich enger, da der Kreditspielraum großteils oder vollständig an zusätzliche Investitionen gebunden sei.

Die Zentralbank rechnete vor, welche Summen an zusätzlichen Krediten ihr Vorschlag ermöglichen würde. Bis zum Jahr 2030 könnten Bund – und die Länder durch Investitionszuschüsse – insgesamt bis zu 219 Milliarden Euro zusätzlich kreditfinanziert ausgeben, wenn die Schuldenquote unter 60 Prozent läge. Bei mehr als 60 Prozent wären es noch 99 Milliarden Euro. In den Jahren 2026 und 2027 wäre es jeweils nur eine Milliarde Euro. 2028 wüchse der Spielraum auf zunächst insgesamt zusätzliche 23 Milliarden Euro.

Für eine Änderung der Schuldenbremse wären Zwei-Drittel-Mehrheiten in Bundestag und Bundesrat erforderlich. Auch die Wirtschaftsweisen hatten eine Reform empfohlen, um mehr Investitionen zu ermöglichen.

Die derzeitige Kreditobergrenze von 0,35 Prozent ist nicht starr. Sie ermöglicht in wirtschaftlich schlechten Zeiten eine höhere Schuldenaufnahme. Mit dem Etatentwurf für 2025 sah der damalige Finanzminister Christian Lindner (FDP) im Sommer 2024 eine strukturell zulässige Nettokreditaufnahme von gut 14,4 Milliarden Euro und knapp 9,8 Milliarden Euro über die Konjunkturkomponente vor. Nach dem mauen Wirtschaftsausblick im Herbst 2024 stieg die Konjunkturkomponente auf 15 Milliarden Euro. In der Summe läge der Spielraum für neue Schulden bei etwa 30 Milliarden Euro.

(Bericht von Holger Hansen und Frank Siebelt, redigiert von Christian Krämer. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)

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