(neu: Sondierungen gehen weiter, Gesetzentwurf für Grundgesetzänderungen)
Berlin (Reuters) – Union und SPD haben ihre Sondierungen zur Bildung einer neuen Bundesregierung am Donnerstag fortgesetzt und müssen nach dem Finanz-Kompromiss nun auch bei Migrationsfragen gemeinsame Lösungen finden.
Im Fokus sind zudem die Themen Sicherheit, Wirtschaft und Haushalt. Beide Seiten hoffen auf einen zügigen Abschluss der Sondierungen. Am Dienstag wurden bereits umfangreiche Finanzbeschlüsse verkündet. Die nötigen Beratungen dazu im Bundestag sollen nächste Woche beginnen und übernächste Woche abgeschlossen werden.
“Die Stimmung ist gut”, sagte CSU-Politiker Alexander Dobrindt vor Beginn der Gespräche in Berlin. Der Auftrag sei, zügig voranzukommen. Dafür sei auch Freitag und am Wochenende Zeit. “Die Ergebnisse müssen jetzt gut werden.” SPD-Politikerin Manuela Schwesig sagte, es müsse vernünftig beraten werden, genau wie beim beschlossenen Finanzpaket. Ziel müsse es sein, Lösungen zu finden statt sich zu streiten. Teilweise wird spekuliert, dass die Verhandlungspartner bereits am Freitag weitere Annäherungen verkünden könnten. Der nächste Schritt wären dann vertiefte Koalitionsverhandlungen. Früheren Angaben zufolge sollten diese bis Ostern abgeschlossen werden.
Verkündet hatten beide Seiten bereits ein Sondervermögen von bis zu 500 Milliarden Euro zur Modernisierung der Infrastruktur. Das dürfte die Staatsschuldenquote, die derzeit bei rund 64 Prozent liegt, um rund zwölf Punkte erhöhen, wie aus einer Reuters vorliegenden Formulierungshilfe für den Gesetzentwurf der Bundestagsfraktionen von CDU/CSU und SPD hervorgeht. Außerdem soll die im Grundgesetz verankerte Schuldenbremse an zwei Stellen gelockert werden. Die Bundesländer sollen – wie derzeit der Bund – künftig jährlich bis zu 0,35 Prozent der Wirtschaftsleistung an neuen Schulden aufnehmen dürfen. Das würde auf Basis von 2024 rund 15 Milliarden Euro entsprechen. Außerdem sollen Verteidigungsausgaben oberhalb von einem Prozent des Bruttoinlandsprodukts nicht mehr unter die Schuldenbremse fallen. Dadurch könnten Verteidigungsausgaben sehr stark gesteigert werden. Ein Limit wurde nicht genannt.
In der Union gibt es Unmut, dass CDU-Chef Merz der SPD sehr weitreichende Zugeständnisse bei der Schuldenbremse gemacht, aber nichts im Gegenzug bekommen habe. Nun müsse er bei Migration, Planungsbeschleunigung und Bürokratieabbau klare Zusagen der SPD bekommen, hieß es von mehreren Unions-Politikern. SPD-Co-Chef Lars Klingbeil sagte am Mittwochabend in der ARD, es lägen noch “harte Brocken” vor den Verhandlern. Ein Knackpunkt sei die Migrationspolitik. Mit Blick auf von der Union geforderte Grenzschließungen sagte er: “Das werden wir als SPD nicht mitmachen.”
ZEITDRUCK
Der Bundestag wird noch in alter Zusammensetzung am 13. März erstmals über das Finanzpaket beraten. Beschlossen werden sollen die dafür erforderlichen Grundgesetzänderungen in einer weiteren Sondersitzung am 18. März. Diesen Zeitplan legte der Ältestenrat des Bundestages fest, wie die Nachrichtenagentur Reuters aus Parlamentskreisen erfuhr. Bislang ist unsicher, ob die nötige Zwei-Drittel-Mehrheit zustande kommt. Dafür brauchen Union und SPD entweder die Stimmen der Grünen oder der FDP, die beide noch Bedenken äußern. Der Bundesrat kommt am 21. März zur nächsten regulären Sitzung zusammen.
Am 25. März kommt dann der neugewählte Bundestag zu seiner ersten Sitzung zusammen, wie der Vorältestenrat ebenfalls am Donnerstag entschied. Dann beginnt die neue Wahlperiode und die Zuständigkeit des alten Bundestages endet. Union und SPD drücken daher während ihrer noch laufenden Sondierungsgespräche zur Regierungsbildung aufs Tempo. Denn im neuen Bundestag können AfD und Linke zusammen Zwei-Drittel-Mehrheiten verhindern.
Die Grünen wollen mehr Geld in Infrastruktur und Verteidigung stecken und plädieren daher seit vielen Jahren für eine Änderung der Schuldenbremse. Sie haben eine Zustimmung bisher aber offengelassen. Bei der FDP hat Fraktionschef Christian Dürr zwar Gesprächsbereitschaft für eine Lockerung der Schuldenbremse für Verteidigungsausgaben signalisiert. Ein Blankocheck soll aber vermieden werden. Beim Sondervermögen für die Infrastruktur will die FDP nicht mitmachen. Auch eine Lockerung der Schuldenbremse für die Länder sehen die Liberalen skeptisch: “Die Union hat sich von der SPD unter dem Deckmantel ‘Infrastruktur’ mit einem gigantischen Sondervermögen über den Tisch ziehen lassen. Das ist schon problematisch genug”, hieß es in der FDP.
(Bericht von Christian Krämer, Holger Hansen, Alexander Ratz, Andreas Rinke und Reuters TV.; Redigiert von Hans Busemann; Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)