Zürich/Düsseldorf (Reuters) – Der Schweizer Pharma- und Diagnostikkonzern Roche legt für den Ausbau des boomenden Geschäfts mit Schlankheitsmitteln bis zu 5,3 Milliarden Dollar auf den Tisch.
Gemeinsam mit der dänischen Biotechfirma Zealand Pharma soll die Entwicklung und Vermarktung des Medikaments Petrelintide vorangetrieben werden, teilte der Arzneimittelhersteller aus Basel am Mittwoch mit. Die Anleger applaudierten: Die Roche-Scheine schossen an der Börse in Zürich um 5,6 Prozent nach oben und gehörten zu den größten Gewinnern unter den europäischen Gesundheitswerten. Zealand gewann an der Börse in Kopenhagen zeitweise nahezu die Hälfte an Wert, getrieben auch von Spekulationen, Roche könnte das Unternehmen komplett schlucken. Zuletzt lag der Kurs noch 28 Prozent im Plus.
“Wir haben immer gesagt, dass unsere Strategie darin besteht, Zealand zu vergrößern, und wir haben nach einer echten Partnerschaft gesucht”, sagte Zealand-Chef Adam Steensberg der Nachrichtenagentur Reuters. “Genau das haben wir heute erreicht.” Ein Sprecher von Roche lehnte es ab, sich zu Übernahmespekulationen zu äußern: “Roche schließt eine exklusive Kooperations- und Lizenzvereinbarung mit Zealand Pharma ab.”
GEMEINSAME VERMARKTUNG DER ARZNEI IN DEN USA UND EUROPA
Im Rahmen der Kooperations- und Lizenzvereinbarung leistet Roche eine Anfangszahlung von 1,65 Milliarden Dollar an Zealand. Inklusive weiterer erfolgs- und umsatzabhängiger Zahlungen kann der Deal Roche schlussendlich bis zu 5,3 Milliarden Dollar kosten. Die Transaktion soll im zweiten Quartal abgeschlossen werden. Das von Zealand zur Behandlung von Diabetes Typ 2 und Fettleibigkeit entwickelte Petrelintide befindet sich in der zweiten von drei Phasen der klinischen Entwicklung. Roche und Zealand wollen das Medikament in den USA und Europa gemeinsam vermarkten, Gewinne und Verluste sollen geteilt werden. Im Rest der Welt hat der Schweizer Pharmariese die exklusiven Vermarktungsrechte.
Roche will Petrelintide auch in Kombination mit seinem in der Entwicklung steckenden Schlankheitsmittel CT-388 einsetzen. “Durch die Kombination von Petrelintide mit unserem Pharmaportfolio und unserer Expertise in der Diagnostik von Herz-Kreislauf- und Stoffwechselerkrankungen wollen wir den Behandlungsstandard verändern”, erklärte Teresa Graham, Leiterin der Roche-Pharmasparte. Der Konzern hatte die Wirkstoffe CT-388 und CT-996 Ende 2023 durch den milliardenschweren Kauf der kalifornischen Firma Carmot erworben und war damit in den boomenden Markt für Abnehmarzneien eingestiegen. Führend in dem Therapiebereich sind derzeit der dänische Pharmakonzern Novo Nordisk und das US-Unternehmen Eli Lilly mit ihren Abnehmspritzen Wegovy und Zepbound.
Petrelintide gehört zu einer Klasse von Arzneimitteln, die als langwirkende Amylin-Analoga bekannt sind und ein Hormon namens Amylin nachahmen, das gemeinsam mit Insulin ausgeschüttet wird und den Blutzuckerspiegel stabilisiert. Die derzeit verfügbaren Schlankheitsmittel basieren hauptsächlich auf dem Hormon GLP-1 und wurden ursprünglich zur Behandlung von Diabetes entwickelt. Sie senken den Blutzuckerspiegel und verringern den Appetit. Novo Nordisk setzt bei seiner nächsten Medikamentengeneration auf einen dualen Wirkmechanismus, der Amylin einschließt. Enttäuschende Testergebnisse mit dem Mittel CagriSema schickten die Novo-Nordisk-Aktien jüngst auf Talfahrt und am Donnerstag sank der Kurs angesichts der drohenden Konkurrenz durch den Roche-Zealand-Deal um weitere vier Prozent. Die Analysten von Jefferies erklärten in einem Kommentar, dass Petrelintide besser wirken könnte als CagriSema.
Zu den Unternehmen mit frühen Forschungsarbeiten zu Amylin gehört auch die britische AstraZeneca.
(Bericht von Paul Arnold, Anneli Palmen, Maagie Fick und Ludwig Burger, redigiert von Ralf Banser. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)