Baerbock-Kandidatur für UN-Posten bewegt die Gemüter

Berlin (Reuters) -Die Nominierung der scheidenden Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) als Vorsitzende der UN-Generalversammlung stößt auf Kritik. Nachdem das Bundeskabinett die 44-jährige Grünen-Politikerin am Mittwoch in einem sogenannten Umlaufverfahren nominiert hatte, kam Kritik etwa vom früheren Transatlantik-Koordinator der Bundesregierung, Michael Link. “Sowohl der Zeitpunkt der Bekanntgabe als auch der Stil des Deals um Annalena Baerbocks gewünschte Top-Verwendung bei der UN werfen kein gutes Licht auf Deutschlands internationale Personalpolitik”, sagte der FDP-Politiker zu Reuters. Link äußerte Zweifel, ob die Personalie Baerbock der geplanten deutschen Kandidatur für den nichtständigen Sitz im UN-Sicherheitsrat helfen wird. Deutschland möchte diesen Sitz 2027 und 2028 besetzen.

Das Auswärtige Amt rechnet damit, dass Baerbock im Juni in New York gewählt wird. Es sei international verabredet, dass Deutschland diese Position besetzen könne, sagte der Sprecher des Außenministeriums, Sebastian Fischer, in Berlin. Die Bundesregierung nominierte Baerbock nun anstelle der eigentlich vorgesehenen deutschen Top-Diplomatin Helga Schmid. Einen direkten Zusammenhang mit der deutschen Kandidatur für einen nichtständigen Sitz im UN-Sicherheitsrat sieht Fischer nicht. Aber wenn Baerbock als Präsidentin der Generalversammlung für ein “konstruktives Miteinander” werben könne, dürfte dies Rückwirkungen für die deutsche Kandidatur haben. Er stellte die Kandidatur von Baerbock als Aufwertung und Zeichen dar, wie wichtig Deutschland den Posten nehme. Andere Staaten hätten sogar ehemalige Regierungschefs nominiert.

Russland hat sich bereits gegen die frühere Außenministerin ausgesprochen. Allerdings hatte es in den vergangenen Jahren international auch aus anderen Ländern Kritik an einer als zu einseitig empfundenen Israel-Unterstützung der Bundesregierung und der Unterstützung der Ukraine gerade bei Ländern der südlichen Halbkugel gegeben.

Nach Reuters-Informationen hatte Baerbock ihren Wunsch innerhalb der Bundesregierung erst in den vergangenen Wochen durchgesetzt – nachdem klar war, dass die Grünen nicht Teil einer neuen Bundesregierung sein können. Der Schritt war sowohl mit Kanzler Olaf Scholz als auch dessen designiertem Nachfolger Friedrich Merz (CDU) abgestimmt. Aus dem Umfeld von Merz war zu hören, dass Baerbock den CDU-Chef “vor einigen Wochen” über ihre Absicht ins Bild gesetzt habe. “Es handelt sich um eine Entscheidung der Bundesregierung. Die Union hat der Personalie nicht widersprochen”, hieß es weiter. Anfang März hatte Baerbock den Fraktionsvorsitz der Grünen im Bundestag abgelehnt und erklärt, sie habe sich entschieden, einen Schritt aus dem “grellen Scheinwerferlicht” zurückzutreten.

Umstritten ist die Personalie auch deshalb, weil das Auswärtige Amt zuvor schon die renommierte Diplomatin Schmid für den UN-Posten nominiert hatte. Es sei “eine Unverschämtheit, die beste und international erfahrenste deutsche Diplomatin durch ein Auslaufmodell zu ersetzen”, sagte etwa der frühere Vorsitzende der Münchner Sicherheitskonferenz, Christoph Heusgen dem “Tagesspiegel”. “Mit der ursprünglich und seit langem für die Kandidatur zur Präsidentin der UN-Generalversammlung vorgesehenen und strategisch auf diese Aufgabe vorbereiteten Berufsdiplomatin Helga Schmid hatte Deutschland eine fachlich herausragende und international überall anerkannte Bewerberin im Rennen, die sich zuletzt als OSZE-Generalsekretärin und zuvor als Chefin des Europäischen Auswärtigen Dienstes einen Namen gemacht hatte”, betonte auch Link. Etliche Außenpolitiker wollten sich nicht offen zu der Personalie äußern.

Schmid solle nun nach Angaben des Auswärtigen Amtes die “Vakanz” mitfüllen, die es bei der Münchner Sicherheitskonferenz gebe, weil der neue Vorsitzende Jens Stoltenberg zunächst wieder norwegischer Finanzminister werden will. Ob Schmid neue Chefin der größten deutschen außen- und sicherheitspolitischen Konferenz werden könne, ließ der Außenamtssprecher offen.

(Bericht von Andreas Rinke; redigiert von Hans Busemann. Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com)

tagreuters.com2025binary_LYNXMPEL2I0PR-VIEWIMAGE