SPD und Union nehmen Zeitdruck aus Koalitionsverhandlungen

(neu: mit Linnemann, Hoppermann)

Berlin (Reuters) – Die Generalsekretäre von CDU und SPD haben demonstrativ darauf verwiesen, dass es in den Koalitionsverhandlungen zur Bildung einer schwarz-roten Regierung keinen Zeitdruck gebe.

“Wir lassen uns von niemanden unter Druck setzen”, sagte CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann am Montag in Berlin nach den Gremiensitzungen seiner Partei. Er mahnte auch die Unions-Basis zur Geduld. “Ich gehe davon aus, dass alle natürlich weiter konzentriert arbeiten wollen, aber wir wollen uns auch nicht unter zeitlichen Druck setzen”, sagte SPD-Generalsekretär Matthias Miersch den Sendern RTL/ntv. Er wies den Eindruck zurück, die SPD würde in den Verhandlungen mit CDU und CSU bremsen.

Am Montag mussten die von CDU, CSU und SPD gebildeten 16 Arbeitsgruppen der Fachleute bis 17.00 Uhr ihre Papiere der sogenannten Steuerungsgruppe vorlegen. Diese will bis Ende der Woche die Ergebnisse der Fachleute durchgehen, zusammenfügen und strittige Themen herausarbeiten. Die Fachleute der drei Parteien hatten eine Woche Zeit, um in einer Vielzahl von Themen erste Grundlagen für einen schwarz-roten Koalitionsvertrag zu legen. Linnemann bezeichnete die Signale aus den Arbeitsgruppen als “ermutigend”. Die Generalsekretäre beider Parteien relativierten zudem Berichte über Streit in den Arbeitsgruppen. Die Fachpolitiker hätten von Anfang an gewusst, dass sie entscheidende Streitpunkte zwischen Union und SPD nicht lösen könnten. Dazu zählen etwa Zurückweisungen an Grenzen, eine Reform des Bürgergeldes oder Einsparungen im Bundeshaushalt. Nun würde sich die Steuerungsgruppe um eine Lösung bemühen.

MURREN AN UNIONSBASIS

CDU-Chef Friedrich Merz hatte erklärt, dass er eine Regierungsbildung bis Ostern anstrebt. In der vergangenen Woche betonte er aber auch angesichts der Unzufriedenheit an der Unionsbasis, dass Gründlichkeit vor Schnelligkeit gehe. Auslöser war die Verabschiedung eines milliardenschweren Finanzpakets mit einer Grundgesetzänderung für höhere Verteidigungsausgaben sowie die Einrichtung einer Kreditlinie über 500 Milliarden Euro für die Infrastruktur. Umfragen zufolge fühlen sich auch viele Unionsanhänger getäuscht, weil führende Politiker wie Merz oder CSU-Chef Markus Söder vor der Bundestagswahl betont hatten, man werde nicht in eine neue massive Verschuldung einsteigen. Unionspolitiker werfen der SPD vor, das Finanzpaket durchgesetzt und dann auf Härte in den inhaltlichen Verhandlungen umgestellt zu haben.

Weil keine Partei mit der AfD koalieren will, gibt es im neuen Bundestag nur die Möglichkeit einer Koalitionsbildung von Union und SPD. In der Union wird eingeräumt, dass dies der SPD trotz ihres historisch schwachen Wahlergebnisses von 16,5 Prozent eine starke Verhandlungsposition gibt. Miersch verwies am Montag zudem darauf, dass ein Koalitionsvertrag auch von den SPD-Mitgliedern gebilligt werden müsse. Erste Rückmeldungen von der Basis zeigten, dass das Sondervermögen für Infrastruktur gut ankomme, sagte er bei ntv. Es habe aber Kritik an den im Sondierungspapier mit der Union gemachten Kompromissen bei Migration und Staatsbürgerschaft gegeben. Umgekehrt betonte CDU-Generalsekretär Linnemann, dass die Union keinen Koalitionsvertrag unterzeichnen werde, der keine Wende in der Wirtschafts- und Migrationspolitik bedeute.

Der CDU-Bundesvorstand wählte Franziska Hoppermann zur neuen Schatzmeisterin der Partei. Sie soll Nachfolgerin von Julia Klöckner werden, die die Union als stärkste Fraktion im neuen Parlament als Bundestagspräsidentin nominiert hat.

(Bericht von Andreas Rinke, Stephan Schepers, redigiert von Birgit Mittwollen.)

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