Wien (Reuters) – Die österreichische Wirtschaft wird nach Einschätzung der beiden führenden Wirtschaftsforschungsinstitute Wifo und IHS auch im laufenden Jahr schrumpfen.
Das Wifo erwartet einen Rückgang des Bruttoinlandsprodukts (BIP) um 0,3 Prozent, das IHS um 0,2 Prozent, wie aus den am Donnerstag veröffentlichten Prognosen hervorgeht. Beide Häuser haben damit ihre Einschätzung deutlich nach unten revidiert. Im Dezember war noch ein Wachstum von 0,6 Prozent beziehungsweise 0,7 Prozent angekündigt worden. Erst 2026 sei wieder mit Wachstum zu rechnen. Österreich zählt damit wirtschaftlich zu den Schlusslichtern der EU.
Österreich würde damit das dritte Jahr in Folge ein negatives Wirtschaftswachstum verzeichnen. Bereits 2023 war das BIP um 1,0 Prozent gesunken, 2024 um 1,2 Prozent. Laut IHS befindet sich die Wirtschaft in der längsten Rezession der Nachkriegsgeschichte. Hauptgrund sei die anhaltende Schwäche der Industrie. “Der bereits seit Anfang 2023 beobachtete Rückgang der Industrieproduktion im Euro-Raum strahlt weiterhin auf Österreich aus”, erläuterte das Wifo. Umfragen unter Industrieunternehmen ließen bislang keine Trendwende erkennen. Zudem belaste das Sparpaket der neuen Drei-Parteien-Regierung und angekündigte US-Zölle auf EU-Importe. Positive Impulse kämen hingegen von der Bau- und Konsumnachfrage. “Die heimische Bauwirtschaft wird bereits in der ersten Jahreshälfte 2025 die Talsohle durchschreiten”, so das Wifo.
ERHOLUNG ERST IM KOMMENDEN JAHR
Ab der Jahresmitte erwarten die Institute eine leichte Belebung der Konjunktur im EU-Raum. Diese werde jedoch nicht ausreichen, um in Österreich für das Gesamtjahr ein Wachstum zu erzielen. Erst 2026 rechnen die Ökonomen mit einer Erholung. Das Wifo prognostiziert dann ein BIP-Wachstum von 1,2 Prozent, das IHS erwartet ein Plus von 1,1 Prozent. Grundlage dafür seien fiskalpolitische Impulse in Deutschland und der EU.
Die Inflation dürfte nach einem deutlichen Anstieg zu Jahresbeginn nur langsam abklingen. Für das laufende Jahr erwartet das Wifo eine Teuerungsrate von 2,7 Prozent, das IHS geht von 2,9 Prozent aus. 2026 soll die Inflation laut Wifo auf 2,1 Prozent sinken, das IHS rechnet mit 2,0 Prozent. Im Jahr 2024 lag die Inflationsrate bei 2,9 Prozent.
Trotz Rezession sehen Wifo und IHS den Arbeitsmarkt als robust, rechnen jedoch 2025 mit steigender Arbeitslosigkeit.
KONSOLIDIERUNGSBEDARF BEIM HAUSHALTSBUDGET
Beim Staatshaushalt sehen die Wirtschaftsforscher weiterhin Konsolidierungsbedarf. Für 2025 erwartet das Wifo ein Budgetdefizit von 3,3 Prozent des BIP, das IHS rechnet mit 3,2 Prozent. Damit würde das Defizit weiterhin über der von der EU festgelegten Maastricht-Grenze von 3,0 Prozent liegen. In den Prognosen berücksichtigt seien Konsolidierungsmaßnahmen im Umfang von 6,4 Milliarden Euro, die bereits an die EU-Kommission gemeldet wurden. Das im Regierungsprogramm vorgesehene Sparpaket dürfte aber nicht ausreichen, um das Defizit auf unter drei Prozent zu senken. Bereits zuvor hatte auch die Oesterreichische Nationalbank (OeNB) ein Defizit von 3,8 Prozent für 2025 prognostiziert. Für 2024 beziffern die Institute das Defizit auf 4,1 Prozent beziehungsweise 4,0 Prozent des BIP.
Ein Überschreiten der Maastricht-Grenze könnte ein Defizitverfahren der EU nach sich ziehen – ein Szenario, das Kanzler Christian Stocker bislang vermeiden wollte. Stocker erklärte am Donnerstag, die aktuellen Projektionen lägen “nahe an der Drei-Prozent-Grenze”. Man werde abwarten müssen, ob das Ziel erreicht werde oder “wie die EU-Kommission damit umgeht”, sollte dies nicht gelingen. Am Konsolidierungspfad und den geplanten Einsparungen wolle die Regierung festhalten.
(Bericht von Alexandra Schwarz-Goerlich, redigiert von Christian Götz. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)