ZEW-Barometer sackt ab: Zollkrieg lässt Börsianer am Aufschwung zweifeln

Berlin (Reuters) – Der von US-Präsident Donald Trump ausgelöste Zollkrieg lässt Börsianer am Aufschwung in Deutschland zweifeln.

Diese große Sorge ist am Barometer des Mannheimer ZEW abzulesen, das im April wie ein Stein gefallen ist. Mit Blick auf die Konjunkturaussichten in den kommenden sechs Monaten brach es um 65,6 Punkte auf minus 14,0 Zähler ein, wie das Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) am Dienstag zu seiner Umfrage unter 168 Analysten mitteilte. Es war laut den Forschern der stärkste Rückgang der Erwartungen seit Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine in 2022. Das Stimmungsbarometer zeigt damit ein Wechselbad der Gefühle der Börsenprofis: Noch im März hatte es wegen der Aussicht auf das von Union und SPD vereinbarte Finanzpaket den stärksten Anstieg seit mehr als zwei Jahren gegeben.

“Der erratische Umbruch in der US-Handelspolitik lässt die Erwartungen für Deutschland einbrechen”, erläuterte ZEW-Präsident Achim Wambach die Umfragedaten. Das Barometer notierte zuletzt im Juli 2023 tiefer. Selbst Experten hatten nicht erwartet, dass es so stark absacken würde: Von der Nachrichtenagentur Reuters befragte Ökonomen hatten nur mit einem Rückgang auf plus 9,5 Punkte gerechnet. “Dies ist der zweitstärkste Rückgang der ZEW-Konjunkturerwartungen aller Zeiten, und das obwohl in der Mitte des Befragungszeitraums der Aufschub bei den reziproken Zöllen verkündet wurde”, sagte DekaBank-Ökonom Andreas Scheuerle zu der Umfrage unter Analysten, die vom 7. bis 14. April erhoben wurde. Die Basiszölle und die explodierende Welthandelsunsicherheit reichten für diesen Stimmungseinbruch aus, sagte der Experte: “Wenn die Unternehmen dies nur ansatzweise ähnlich wie die Finanzmarktanalysten sehen, werden in diesem Jahr die Investitionen trotz der geplanten Sonderabschreibungen spürbar sinken.”

Trump hatte den 2. April zum “Tag der Befreiung” erklärt und gegen zahlreiche Handelspartner pauschale Zölle von 20 Prozent verhängt. Diese wurden kurz danach für 90 Tage ausgesetzt. Die Zölle von 25 Prozent auf Stahl, Aluminium und Autos sowie die zehnprozentigen Basiszölle auf sämtliche andere Produkte blieben für die EU in Kraft.

Die Vereinigten Staaten sind das wichtigste Abnehmerland von Waren “Made in Germany”. Die Abhängigkeit der deutschen Exporteure von dem durch hohe Zölle bedrohten US-Geschäft ist so groß wie seit über zwei Jahrzehnten nicht mehr: Die Ausfuhren in die weltgrößte Volkswirtschaft summierten sich im vergangenen Jahr auf gut 161,3 Milliarden Euro. Das war gut ein Zehntel – genau 10,4 Prozent – aller deutschen Exporte und damit der höchste Anteil seit 2002.

“Die US-Zölle werden für die deutsche Wirtschaft zu einer schweren Bürde. Das deutsche Bruttoinlandsprodukt läuft Gefahr, im laufenden Jahr zu schrumpfen”, warnte VP-Bank-Chefvolkswirt Thomas Gitzel. Das vom zukünftigen Regierungsbündnis lancierte Sondervermögen für Infrastruktur komme vor diesem Hintergrund genau zur richtigen Zeit: “Einschränkend gilt jedoch, dass die Gelder erst zu einem späteren Zeitpunkt ihren Weg in die Wirtschaft finden werden.”

Die führenden Forschungsinstitute erwarten für 2025 auch wegen der aggressiven US-Zollpolitik nur noch ein Plus beim deutschen Bruttoinlandsprodukt (BIP) von 0,1 Prozent. Damit würde Europas größte Volkswirtschaft haarscharf an einem dritten Rezessionsjahr in Folge vorbeischrammen: 2023 war sie um 0,3 Prozent und 2024 um 0,2 Prozent geschrumpft.

(Bericht von Reinhard Becker und Rene Wagner, redigiert von Kerstin Dörr – Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com)

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