Berlin (Reuters) – Trotz des Handelsstreits und der mauen Konjunktur hellt sich die Stimmung der deutschen Verbraucher überraschend auf.
Das für Mai berechnete Konsumklima stieg anders als erwartet um 3,7 Punkte auf minus 20,6 Zähler, wie die GfK und das Nürnberg Institut für Marktentscheidungen (NIM) am Dienstag zu ihrer Umfrage unter rund 2000 Personen mitteilten. Die Konsumenten bewerteten ihre Einkommensaussichten und die Konjunkturperspektiven besser. Zudem nahm ihre Bereitschaft zu größeren Anschaffungen zu und sie legten nicht mehr so viel auf die hohe Kante. Damit verbesserte sich das Verbrauchervertrauen den zweiten Monat in Folge, während von Reuters befragte Ökonomen eine Verschlechterung erwartet hatten.
Die Neuausrichtung der Handelspolitik der US-Regierung mit hohen Importzöllen habe “offenbar bislang die Stimmung der Verbraucher in Deutschland noch nicht nachhaltig beeinträchtigt”, sagte NIM-Konsumexperte Rolf Bürkl. Vermutlich würden etwaige negative Effekte durch den Abschluss der Koalitionsverhandlungen von Union und SPD und der Aussicht auf eine baldige voll handlungsfähige Regierung ausgeglichen. “Offenbar ist es für die deutschen Verbraucher bislang wichtiger, dass es nun zügig zu einer Regierungsbildung kommen kann.” Damit verliere ein zentraler Auslöser der bisherigen Verunsicherung an Bedeutung – “und entsprechend ist auch die Sparneigung zurückgegangen”. Ob sich dieser Rückgang in den kommenden Monaten fortsetzen werde, bleibe jedoch abzuwarten. “Es hängt sicher auch davon ab, wie sich der Handelskonflikt zwischen den USA und dem Rest der Welt weiterentwickelt.”
VERBRAUCHER UNSICHER
Auch Ökonomen äußerten sich skeptisch, dass die Konsumenten rasch ihre Zurückhaltung abschütteln könnten. “Irgendwie scheint die Vorstellungskraft zu fehlen, dass sich tatsächlich etwas ändern kann in diesem Land”, sagte Chefökonom Cyrus de la Rubia von der Hamburg Commercial Bank. Es werde vermutlich noch eine Weile dauern, bis die privaten Haushalte wieder begännen, vorbehaltloser Geld auszugeben. “Vielleicht gelingt es der möglichen neuen Bundesregierung ja, Aufbruchstimmung zu vermitteln und dadurch den Konsum wieder anzuregen.”
Chefvolkswirt Alexander Krüger von der Hauck Aufhäuser Lampe Privatbank betonte: “Von einem grundsätzlich besseren Konsumklima kann noch keine Rede sein.” Mit der US-Zollpolitik und wachsenden Arbeitsplatzsorgen sprächen gewichtige Gründe gegen bessere Laune. “Ohne Verbraucher wird eine echte Konjunkturerholung kaum möglich sein”, sagte Krüger.
Das Barometer für die Einkommenserwartungen stieg auf den höchsten Wert seit Oktober 2024 und dürfte laut GfK etwa auch vom Tarifabschluss im Öffentlichen Dienst profitiert haben. Der Teilindex für die Konjunkturaussichten der Konsumentinnen und Konsumenten stieg zwar das dritte Mal in Folge – aber nur minimal um 0,3 Punkte auf den höchsten Stand seit Juli 2024.
FIRMEN UNSICHER
Die große Unsicherheit zeigt sich auch bei den Unternehmen. Ihnen bereitet es zunehmend Probleme, ihre eigene Geschäftsentwicklung vorherzusagen. Im April gaben 28,3 Prozent der befragten Firmen an, dies falle ihnen “schwer” – nach 24,8 Prozent im März. Das geht aus einer Umfrage des Münchner Ifo-Instituts unter Tausenden Betrieben hervor. Die Antworten gelten als Barometer für wirtschaftliche Unsicherheit. Der Indikator kletterte auf den höchsten Stand seit November 2022.
“Immer mehr Unternehmen tappen derzeit im Dunkeln, wenn es um ihre eigene Zukunft geht”, sagte der Leiter der Ifo-Umfragen, Klaus Wohlrabe. “Haupttreiber ist der sich zuspitzende Zollkonflikt mit den USA.” Positive Impulse wie das ausgehandelte Koalitionspapier der künftigen Regierung – die Milliarden in Infrastruktur und Aufrüstung investieren will – konnten das bislang nicht auffangen. “Die Unternehmen brauchen jetzt vor allem Planbarkeit”, sagte Wohlrabe. “Je länger die Unsicherheit anhält, desto eher werden Investitionen und Neueinstellungen aufgeschoben.”
(Bericht von Klaus Lauer und Rene Wagner, redigiert von Sabine Wollrab. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com)