London (Reuters) – Bei den Kommunalwahlen in Großbritannien hat sich der europaweite Trend zu Zuwächsen für rechte Parteien fortgesetzt.
Die Partei Reform UK gewann bei der Wahl am Donnerstag, deren Ergebnisse nach und nach am Freitag bekannt wurden, einen weiteren Sitz im Parlament – wenn auch nur mit sechs Stimmen Vorsprung.
Sie gewann auch das Rennen um das Bürgermeisteramt im Großraum Lincolnshire. Die ehemalige konservative Ministerin Andrea Jenkyns, die nach dem Verlust ihres Sitzes 2024 zu Reform UK übergelaufen war, wird damit zur bisher mächtigsten gewählten Politikerin der Reform UK und ist künftig für ein Gebiet mit einer Million Einwohnern zuständig. Sie sagte in ihrer Siegesrede, sie werde dem “weichgespülten Großbritannien” ein Ende bereiten. So sollten Asylbewerber künftig in Zelten und nicht in Hotels untergebracht werden.
Reform UK, die von dem Populisten Nigel Farage angeführt wird, hofft, dass die Wahlen den Beginn des Zusammenbruchs des jahrhundertealten politischen Zweiparteiensystems in Großbritannien einläuten, das von der regierenden Labour-Partei und den oppositionellen Konservativen dominiert wird. Farage war ein Verfechter des Austritts Großbritanniens aus der EU (“Brexit”), verfolgt einen Anti-Einwanderungs-Kurs und gilt als Freund von US-Präsident Donald Trump.
Die Wahl war der erste Stimmungstest für Premierminister Keir Starmer, dessen Labour-Partei sich vor knapp einem Jahr bei der Parlamentswahl durchgesetzt hatte und die konservative Partei um den damaligen Premier Rishi Sunak abgelöst hatte, die 14 Jahre an der Macht war. Farage selbst war bei der Wahl für Reform UK ins Parlament eingezogen. Labour hatte damals zwar eine der größten parlamentarischen Mehrheiten in der britischen Geschichte errungen. Sie musste in den Monaten darauf aber den schnellsten Popularitätsverlust aller neu gewählten Regierungen hinnehmen, nachdem Starmer unter anderem Steuern erhöht und Leistungen für ältere Menschen gekürzt hatte.
In der mit Spannung erwarteten Wahl um den Parlamentssitz des Wahlkreises Runcorn und Helsby gewann Reform UK mit sechs Stimmen Vorsprung. Labour hatte dort 2024 noch mit fast 15.000 Stimmen vorn gelegen. Farage sprach von einem “großen Abend” für seine Partei. Labour sei in ihrem Kernland eingebrochen und ein Großteil ihrer Wähler sei zu Reform UK übergelaufen. Der Sitz dort war der einzige aus dem Parlament, der jetzt zur Wahl stand. Dies war erforderlich geworden, nachdem sich der Labour-Amtsinhaber zurückgezogen hatte. Er war verurteilt worden, nachdem er einen Wähler geschlagen hatte.
Bei den Bürgermeisterwahlen in North Tyneside, Westengland und Doncaster rückte Reform UK nah an Labour heran. So sank in North Tyneside die Unterstützung für Labour um 23 Punkte und in Doncaster um elf im Vergleich zu 2021. Gewählt wurden landesweit rund 1600 Gemeinderäte und viele Bürgermeister.
Ein Labour-Sprecher sagte, die Ergebnisse zeigten, dass die Wähler von der Regierung erwarteten, dass sie schneller handele, um Großbritannien zu verändern. Die nächsten Parlamentswahlen sind 2029. In einigen landesweiten Umfragen hatte Reform UK zuletzt Labour und die konservativen Tories überholt.
(Bericht von Andrew MacAskill, William James, Catarina Demony und Elizabeth Piper. Geschrieben von Ralf Bode. redigiert von Myria Mildenberger. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com)