Zahl der Neubauwohnungen sinkt 2024 – “Bagger müssen wieder rollen”

– von Klaus Lauer

Berlin (Reuters) – Die Zahl der Neubauwohnungen in Deutschland ist im vergangenen Jahr spürbar auf 251.900 gesunken und bestätigt damit die Krise im Wohnungsbau.

Dies waren 42.500 Einheiten oder 14,4 Prozent weniger als 2023, wie das Statistische Bundesamt am Freitag mitteilte. “Das war der erste deutliche Rückgang, nachdem die Zahl fertiggestellter Wohnungen in den Jahren 2021 bis 2023 jeweils um 294.000 gelegen hatte.” Der Wohnungsbau kriselt seit längerem – wegen hoher Zinsen und hoher Baukosten. Für viele Investoren lohnt sich das Bauen derzeit kaum.

“In Deutschland wird zu wenig und zu langsam gebaut”, erklärte die neue Bauministerin Verena Hubertz. Zudem seien Genehmigungsverfahren zu kompliziert und langwierig, Baukosten zu hoch und Förderbedingungen zu undurchsichtig. “Wir werden zügig einen Wohnungsbauturbo vorlegen, steuerliche Anreize verbessern und Neubauförderprogramme radikal vereinfachen”, kündigte die SPD-Politikerin an. Erst gut zwei Wochen im Amt wiederholte sie ihr Mantra: “Die Bagger müssen wieder rollen, und wir müssen bauen, bauen, bauen – und das zu bezahlbaren Preisen.”

WENIGER BAUGENEHMIGUNGEN – WENIGER NEUBAUTEN

Die alte Ampel-Regierung von SPD, Grünen und FDP hatte sich anfangs vorgenommen, dass jährlich 400.000 Wohnungen gebaut werden sollten. Die neue Koalition von Union und SPD hat sich bewusst kein Ziel gesetzt. Die Bundesarbeitsgemeinschaft Immobilienwirtschaft Deutschland, BID, sieht viel Positives im Koalitionsvertrag. “Wir haben jetzt die Chance, viel für den Wohnungsbau zu erreichen und für mehr bezahlbaren Wohnraum zu sorgen”, sagte der BID-Vorsitzende Dirk Salewski.

Fachleute erwarten aber auch im laufenden Jahr noch einen Rückgang bei den Fertigstellungen. Der Zentralverband Deutsches Baugewerbe (ZDB) rechnet 2025 mit etwa 225.000 bis 230.000 neuen Wohnungen. “Erst wenn die Genehmigungszahlen wieder spürbar steigen, können zwei Jahre später die Baufertigstellungen anziehen”, erklärte ZDB-Hauptgeschäftsführer Felix Pakleppa. Frühestens für 2026 sei mit Fortschritten zu rechnen. Denn die Zahl der Baugenehmigungen ist zuletzt drastisch gesunken – von über 354.000 im Jahr 2022 auf 215.300 im vergangenen Jahr, als es einen Rückgang um 17,1 Prozent gab.

Zudem hat sich die durchschnittliche Abwicklungsdauer von Neubauwohnungen in Wohngebäuden – also die Zeit von Genehmigung bis Bauende – bei den 2024 fertiggestellten Wohngebäuden auf 26 Monate weiter verlängert. 2023 hatte der Bau einer Wohnung noch 24 Monate gedauert, 2020 nur 20 Monate.

BAUBRANCHE FORDERT RASCHE KLARHEIT ÜBER SONDERVERMÖGEN

Der ZDB mahnte die neue schwarz-rote Koalition zu Tempo und raschem Handeln. “Damit Investitionen anlaufen können, muss noch vor der Sommerpause Klarheit über die konkrete Verwendung der Mittel aus dem Sondervermögen herrschen”, erklärte Pakleppa mit Blick auf die geplanten Infrastrukturausgaben der Regierung.

Da die Baugenehmigungen für Wohnungen 2024 deutlich geringer waren als die Fertigstellungen, sank das zweite Jahr in Folge auch der sogenannte Bauüberhang. Dieser bezeichnet die Zahl bereits genehmigter, aber noch nicht fertiggestellter Wohnungen. Er fiel zum Jahresende 2024 um 67.000 auf 759.700 Wohnungen. Diesen Überhang müsse man nun aktivieren, erläuterte Hubertz.

Im ersten Quartal 2025 steigerte das Bauhauptgewerbe laut Statistikamt seinen Umsatz um nominal 6,5 Prozent, bereinigt um steigende Preise blieb bei den Erlösen ein reales Plus von 4,3 Prozent. Erfreulich sei, dass die Aufträge im Wohnungsbau nominal um gut 16  Prozent gestiegen seien, sagte Pakleppa. Allerdings starte der Wohnungsbau von sehr niedrigem Niveau. Denn bis 2024 sei die Nachfrage hier um etwa 20  Prozent unter den Stand von 2021 gefallen. “Und auch wenn die Auftragslage positive Signale sendet, sehen wir bei den Baugenehmigungen – insbesondere im Mehrfamilienhausbau – als Frühindikator nach wie vor keine Trendwende”, betonte Pakleppa.

Der Hauptverband der Deutschen Bauindustrie (HDB) kündigte jüngst an, er erwarte 2025 noch ein reales Umsatzminus von einem Prozent und rechne erst im nächsten Jahr mit spürbarem Rückenwind von den geplanten Investitionen der Politik. HDB-Hauptgeschäftsführer Tim-Oliver Müller sagte, positive Effekte bei den Neubauzahlen werde man erst sehen, wenn Förderprogramme für den Wohnungsbau vereinheitlicht und vereinfacht seien und mit der Baugesetzbuch-Novelle ein verlässlicher Rechtsrahmen geschaffen werde. Die neue Regierung und Bundesbauministerin Hubertz “müssen in den ersten 100 Tagen alles daransetzen, den Wohnungsbau zu unterstützen”.

(Bericht von Klaus Lauer; redigiert von Christian Götz. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)

tagreuters.com2025binary_LYNXMPEL4M0D6-VIEWIMAGE