– von Philip Blenkinsop und Andreas Rinke
Brüssel/Berlin (Reuters) – Die EU hofft trotz der jüngsten US-Drohungen mit hohen Sonderzöllen weiter auf eine Verhandlungslösung im Handelsstreit.
Beide Seiten seien auf dem richtigen Weg und näherten sich einem guten Ergebnis, sagte EU-Handelskommissar Maros Sefcovic am Montag in Brüssel. “Das Gefühl auf unserer Seite war, dass wir einer Einigung sehr nahe sind.” Nach Beratungen mit den Handelsministern der 27 EU-Staaten betonte Sefcovic, es brauche immer zwei Hände, um klatschen zu können. Ein Deal mit den USA müsse sich auch für Europa lohnen, am Ende von den EU-Mitgliedsstaaten als auch dem Europäischen Parlament abgesegnet werden. Sollten die Verhandlungen in den nächsten Wochen scheitern, werde die EU Gegenmaßnahmen einleiten.
US-Präsident Donald Trump hatte am Samstag in Briefen mit Sonderzöllen von 30 Prozent auf Importe aus der EU und Mexiko gedroht. Die neuen Abgaben sollen vom 1. August an gelten, was noch etwas Zeit für Verhandlungen lässt. Die EU hatte, um den von Trump angezettelten Handelskonflikt nicht weiter zu eskalieren, bereits angekündigte Gegenmaßnahmen auf Anfang August verschoben. Dabei geht es um Gegenzölle auf einen amerikanischen Warenkorb im Wert von 21 Milliarden Euro. Ein zweites Paket würde im Fall der Fälle dann auf US-Exporte im Wert von 72 Milliarden Euro angewendet.
Dänemarks Außenminister Lars Lokke Rasmussen sagte, es sei noch zu früh für Gegenmaßnahmen. Es müssten aber Vorbereitungen getroffen werden. “Wenn man Frieden will, muss man sich auf den Krieg vorbereiten.” Die Drohung mit 30-Prozent-Zölle sei absolut inakzeptabel.
Trump hatte in seinem Schreiben an EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen betont, ein Zoll von 30 Prozent sei bei weitem nicht genug, um das jahrelange US-Handelsdefizit mit der EU zu beseitigen. Sollte die EU Gegenmaßnahmen planen, würde dies nur die US-Zölle entsprechend erhöhen.
“TOXISCHE UNSICHERHEIT”
Der deutsche Maschinenbauverband VDMA sprach von einer “toxischen Unsicherheit” für Unternehmen auf beiden Seiten des Atlantiks. Das bremse Investitionen und schwäche das Wirtschaftswachstum sowohl in den USA als auch in Europa. Die USA würden mit einem 30-Prozent-Zoll ein Eigentor schießen. Die Deutsche Industrie- und Handelskammer (DIHK) rechnet mit hohen Einbußen, sollte die Unsicherheit anhalten. Die Exporte der deutschen Industrie in die USA könnten dadurch um knapp eine Milliarde Euro pro Monat gedrückt werden, sagte DIHK-Konjunkturexperte Jupp Zenzen der Nachrichtenagentur Reuters. Im Gesamtjahr 2024 summierten sich die deutschen Ausfuhren Richtung USA auf 161,4 Milliarden Euro, rechnerisch 13,45 Milliarden pro Monat.
Positiv sei der Handelsabschluss der EU mit Indonesien, ergänzte DIHK-Außenwirtschaftschef Volker Treier. Auch die Verhandlungen mit Australien und Indien müssten Priorität haben, das Mercosur-Abkommen mit mehreren südamerikanischen Staaten ratifiziert werden.
Sefcovic räumte ein, ein 30-Prozent-Zoll hätte enorme negative Konsequenzen für Lieferketten. Der gegenseitige Handel würde de facto ausgelöscht werden. Dieses Negativ-Szenario müsse unbedingt abgewendet werden.
SOLLTE DIE EU HÄRTER GEGEN DIE USA VORGEHEN?
Die Bundesregierung verteidigte den Aufschub der Gegenmaßnahmen. Ziel sei es weiterhin, eine Einigung bis zum 1. August zu finden, sagte Regierungssprecher Stefan Kornelius in Berlin. Der Vorsitzende des Handelsausschusses des Europäischen Parlaments, Bernd Lange, kritisierte die Entscheidung der EU-Kommission dagegen. Am Montag hätten eigentlich die ersten EU-Gegenmaßnahmen gegen bereits erhöhte US-Zölle in Kraft treten sollen, sagte der SPD-Politiker im Deutschlandfunk. “Und ich bin auch dafür, dass das hätte passieren sollen.” Lange verwies darauf, dass die USA bereits seit vier Monaten die Stahl- und Aluminium-Exporte aus der EU mit Zöllen von 50 Prozent sowie Autos und Autoteile mit 25 Prozent belasten. “Deswegen brauchen wir auch eine klare Kante.”
Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) will zunächst weiter auf Verhandlungen setzen. Wie Frankreichs Präsident Emmanuel Macron sei er der Meinung, dass es ohne eine Einigung auch zu europäischen Gegenmaßnahmen kommen müsse. “Aber nicht vor dem 1. August”, so Merz in der ARD. “Die Verhandlungen waren schon ziemlich weit fortgeschritten.”
Laut Commerzbank würden US-Zölle in Höhe von 30 Prozent, sollten sie in Kraft treten, der deutschen Wirtschaft einen Schaden von 0,7 Prozent des Bruttoinlandsprodukts innerhalb von zwei Jahren zufügen. Ein Teil des durch die höheren staatlichen Investitionen erhofften Aufschwungs würde verpuffen. Es sei aber eher damit zu rechnen, dass in den kommenden Monaten ein Rahmenvertrag zwischen den Handelsblöcken geschlossen werde und der durchschnittliche US-Importzoll auf Waren aus Europa sich bis zum Herbst bei etwa 15 Prozent einpendeln dürfte.
(Weitere Reporter: Christian Krämer und Klaus Lauer.; Redigiert von Hans Busemann; Bei Rückfragen wenden Sie sich an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)