EU und USA einigen sich auf Handelsdeal – 15 Prozent Zoll für Europa

– von Andrew Gray und Andrea Shalal und Christian Krämer

Turnberry/Berlin (Reuters) – Die EU und die USA entschärfen ihren monatelangen Handelsstreit mit einer Einigung, die den Vereinigten Staaten deutlich mehr Vorteile bringt.

US-Präsident Donald Trump sagte am Sonntag auf seinem Golfplatz im westschottischen Turnberry nach kurzen Verhandlungen mit EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen, die Europäische Union werde pauschale Zölle von 15 Prozent auf die meisten Exporte in die USA zahlen müssen. Mit dieser Höhe war in den vergangenen Tagen bereits gerechnet worden. Gegenüber den ursprünglichen Plänen und dem EU-Anspruch, einen fairen Deal für beide Seiten herauszuholen, ist das viel. Die EU konnte aber pauschale Zölle von 30 Prozent abwenden, die sonst ab Anfang August gedroht hätten. Außerdem kann die für Deutschland besonders wichtige Autobranche mit Entlastung rechnen.

Das Abkommen der EU ähnelt dem Deal zwischen Japan und den USA. Die EU hat sich verpflichtet, über einen Zeitraum von drei Jahren US-amerikanisches Flüssiggas (LNG) und Kernbrennstoffe im Wert von 750 Milliarden Dollar zu kaufen. Die EU werde 600 Milliarden Dollar in den USA investieren, so Trump. Er sprach vom größten abgeschlossenen Handelsdeal überhaupt.

Von der Leyen verteidigte den Kompromiss. Die 15 Prozent seien das bestmögliche Ergebnis gewesen. “Das heutige Abkommen schafft Sicherheit in unsicheren Zeiten, sorgt für Stabilität und Vorhersehbarkeit.” Die 15 Prozent würden branchenübergreifend gelten. Trump machte jedoch klar, dass die 50-Prozent-Zölle auf Stahl und Aluminium weiter gelten.

Bundeskanzler Friedrich Merz begrüßte die Einigung. So könne eine unnötige Eskalation in den transatlantischen Handelsbeziehungen vermieden werden. “Mit der Einigung ist es gelungen, einen Handelskonflikt abzuwenden, der die exportorientierte deutsche Wirtschaft hart getroffen hätte. Dies gilt besonders für die Automobilwirtschaft, bei der die gegenwärtigen Zölle von 27,5 Prozent auf 15 Prozent fast halbiert werden. Gerade hier ist die schnelle Zollsenkung von größter Bedeutung.” Nun gehe es an die Verhandlungen über die Details der Einigung.

UNWETTER STATT HURRIKAN

“Wer mit einem Hurrikan rechnet, ist für ein Unwetter dankbar”, fasste der Hauptgeschäftsführer des Chemieverbands VCI, Wolfgang Große Entrup, den Kompromiss zusammen. “Trotzdem ist der Preis für beide Seiten hoch. Europas Exporte verlieren an Wettbewerbsfähigkeit.” Die vereinbarten Zölle seien aus Sicht der Chemie zu hoch.

Kritisch äußerte sich auch der deutsche Industrieverband BDI: Die EU sende ein fatales Signal, indem sie schmerzhafte Zölle in Kauf nehme, so BDI-Experte Wolfgang Niedermark. “Denn auch ein Zollsatz von 15 Prozent wird immense negative Auswirkungen auf die exportorientierte deutsche Industrie haben.” Entscheidend sei jetzt, dass das geschlossene Übereinkommen verbindlich werde. Einen Tiefschlag nannte er, dass es keine Einigung für niedrigere Zölle auf Stahl- und Aluminiumexporte gebe.

Der Großhandelsverband BGA sprach von einem schmerzhaften Kompromiss. “Jedes Prozent Zoll ist ein Prozent zu viel. Der Zollaufschlag bedeutet für viele unserer Händler eine existenzielle Bedrohung”, so BGA-Präsident Dirk Jandura. Lieferketten würden sich verändern, Preise steigen. Die EU müsse nun nach vorne schauen. “Wir brauchen neue Handelsabkommen mit den großen Wirtschaftsregionen dieser Welt.”

Seit dem Wiedereinzug Trumps ins Weiße Haus im Januar sorgt der Handelsstreit für Unsicherheit an den Börsen. Eric Winograd, Chefökonom beim Investmenthaus AllianceBernstein, sagte, man müsse sehen, wie lange beide Seiten sich dem Deal verpflichtet fühlen. Es sei aber besser, einen Deal zu haben als keinen. In deutschen Regierungskreisen hieß es zuletzt, es könnte sein, dass eine Einigung nicht lange halte.

TRUMP BRAUCHT ZOLLEINNAHMEN FÜR STEUERSENKUNGEN

Trump stört sich an den großen Defiziten der Vereinigten Staaten im Handel mit zahlreichen anderen Ländern und Regionen wie China, Japan oder der EU. Mit den Zöllen will er die Defizite verringern und Steuersenkungen in den USA gegenfinanzieren. Trump warf der EU vor, ihre Märkte abzuschotten, etwa bei Autos oder Agrarprodukten.

Ursprünglich hatte die EU-Kommission, die die Handelspolitik für die 27 Mitgliedstaaten koordiniert, gehofft, Null-Prozent-Zölle auf beiden Seiten des Atlantiks für Industrieprodukte durchzusetzen. Das galt aber schon länger nicht mehr als realistisch, ebenso wie US-Zölle in der Größenordnung von zehn Prozent. Außerdem stehen noch neue Sonderzölle für Kupfer und Pharmaprodukte im Raum.

Die EU erreichte von der Leyen zufolge einen gegenseitigen Zollsatz von null Prozent auf eine Reihe strategisch wichtiger Produkte. Dazu gehörten jeweils bestimmte Luftfahrtkomponenten, einige Chemikalien und Generika. Die vereinbarten US-Zölle von 15 Prozent gelten ihren Worten zufolge auch für Pharmaprodukte und Halbleiter. Eine Entscheidung über den Spirituosensektor steht noch aus. Europäische Winzer exportieren viel Wein in die USA.

(geschrieben von Christian Krämer, redigiert von Christian Rüttger. Bei Rückfragen wenden Sie sich an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)

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