(Das Statistikamt hat seine Halbjahreszahlen korrigiert. Die Zahlen in den beiden ersten Absätzen wurden entsprechend geändert)
Berlin (Reuters) – Das boomende Online-Geschäft hat dem deutschen Einzelhandel im ersten Halbjahr zu einem kräftigen Wachstum verholfen.
Der Umsatz legte insgesamt um 3,9 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum zu, wie das Statistische Bundesamt am Mittwoch mitteilte. Inflationsbereinigt blieb davon ein reales Plus von 2,9 Prozent übrig. “Insbesondere der Onlinehandel hat in seine Rolle als Wachstumstreiber für die Branche zurückgefunden”, sagte der Hauptgeschäftsführer des Handelsverbandes Deutschland (HDE), Stefan Genth.
Der Internet- und Versandhandel schaffte von Januar bis Juni einen realen Umsatzzuwachs von 12,7 Prozent. Dagegen schrumpften sowohl im Facheinzelhandel mit Lebensmitteln (-1,2 Prozent) als auch im Geschäft mit Textilien, Bekleidung, Schuhe und Lederwaren (-2,0 Prozent) die Einnahmen. Der HDE rechnet für das Gesamtjahr nach wie vor mit einem Umsatzplus von zwei Prozent. “Real bedeutet das einen Zuwachs von 0,5 Prozent”, bekräftigte Genth.
Am Ende der ersten Jahreshälfte schlug sich die Branche überraschend gut. Der Umsatz stieg im Juni real um 1,0 Prozent zum Vormonat – doppelt so stark wie von Ökonomen erwartet. Dennoch rechnen die meisten Experten nicht mit einem Boom. “Die Konsumaussichten bleiben verhalten”, sagte Chefökonom Alexander Krüger von der Hauck Aufhäuser Lampe Privatbank. “Verbraucher sparen derzeit lieber, als sich von der niedrigen Teuerung locken zu lassen.” Das sieht auch Chefvolkswirt Thomas Gitzel von der VP Bank so. Von einer spürbaren Belebung der Einzelhandelsumsätze im zweiten Halbjahr ist nicht auszugehen. “Über dem Arbeitsmarkt sind Wolken aufgezogen: Entlassungsmeldungen kommen aus dem Automobilbau, aber auch von Maschinenbauern”, sagte Gitzel. “Die Sparneigung nimmt in Anbetracht der bestehenden Unsicherheiten zu.”
“BINNENKONJUNKTUR IN DEN FOKUS NEHMEN”
Die Verbraucher zeigten sich zuletzt zurückhaltender: Das für August berechnete Konsumklima-Barometer trübte sich um 1,2 auf minus 21,5 Punkte ein, wie die Institute GfK und NIM zu ihrer Umfrage mitteilten. “Die Verbraucher halten es mehrheitlich nach wie vor für ratsam, das Geld eher zurückzuhalten und nicht für größere Anschaffungen zu verwenden”, sagte NIM-Experte Rolf Bürkl.
Viele Händler bleiben daher skeptisch. Einer HDE-Umfrage unter rund 650 Unternehmen zufolge gehen 53 Prozent von sinkenden Umsätzen im laufenden Jahr aus, während nur gut ein Fünftel mit einem Plus rechnet – vor allem größere Handelsbetriebe. HDE-Geschäftsführer Genth fordert die Bundesregierung angesichts des außenwirtschaftlichen Gegenwinds durch die hohen Zölle für Exporte in die USA dazu auf, den Binnenmarkt stärker zu fördern. “Die internationale Lage ist herausfordernd”, sagte Genth. “Umso wichtiger ist es, die Binnenkonjunktur in den Fokus zu nehmen und damit eine stabile Grundlage für Wachstum in unserem Land zu legen.” So sollte die Stromsteuer für alle gesenkt werden, für Verbraucher sowie für die Handelsunternehmen.
(Bericht von Rene Wagner, redigiert von Kerstin Dörr – Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com)