– von Holger Hansen
Berlin (Reuters) – Bundesfinanzminister Christian Lindner wertet die Begrenzung der Neuverschuldung ab 2023 als wichtiges Mittel gegen die hohe Inflation.
“Rückkehr zur Schuldenbremse bedeutet Druck von den Preisen zu nehmen, indem wir nicht immer mehr umverteilen und immer mehr Subventionen erfinden”, sagte der FDP-Politiker am Dienstag zum Auftakt der Haushaltswoche. An deren Ende soll der Bundestag am Freitag den Bundesetat für 2022 und damit den ersten Haushalt der Ampel-Koalition aus SPD, Grünen und FDP verabschieden. Die Union warf Lindner Rekordschulden von 300 Milliarden Euro vor. Die Linke erklärte, mit dem geplanten Bundeswehr-Milliardenfonds bekomme Aufrüstung Verfassungsrang.
Der Bundeshaushalt für 2022 sieht zusätzliche Schulden von knapp 139 Milliarden Euro vor. Dafür muss der Bundestag das dritte Jahr in Folge die Schuldenbremse aussetzen. Hinzu kommt ein schuldenfinanzierter Sonderfonds von 100 Milliarden Euro für die Bundeswehr. Dafür soll am Freitag mit Stimmen aus der oppositionellen Unions-Fraktion das Grundgesetz geändert werden, damit die Schuldenbremse für den Bundeswehrfonds nicht gilt. Darauf hatte sich die Union mit der Regierung verständigt.
UNION – AMPEL WENDET IM HAUSHALT NICHTS
Unions-Fraktionsvize Mathias Middelberg warf Lindner vor, er stehe für Rekordschulden von 300 Milliarden Euro. “Von Zeitenwende reden Sie, aber Sie wenden im Haushalt nichts”, sagte der CDU-Politiker. Er verwies auf die Neuverschuldung von fast 140 Milliarden Euro und den schuldenfinanzierten 100-Milliarden-Euro-Fonds für die Bundeswehr. “Und dann haben Sie noch die 60 Milliarden Euro Diebesgut aus der letzten Wahlperiode”, sagte Middelberg. Er bezog sich damit auf Kreditermächtigungen, die 2021 zur Bewältigung der Corona-Krise eingeplant waren. Diese hatte die neue Koalition auf den Energie- und Klimafonds übertragen. “Wenn man das aufaddiert, sind das 300 Milliarden Euro Schulden”, sagte Middelberg. “Das ist der absolute Rekord bisher.”
Auch AfD-Haushälter Peter Boehringer attackierte die hohe Neuverschuldung. Diese betrage “das Sechsfache dessen, was das Grundgesetz normalerweise erlaubt”. Die Koalition mache dafür eine Notsituation geltend, obwohl 2022 keine pandemische Notsituation mehr herrsche. Zudem sei die Koalition nicht eindeutig, “mit welcher Notstands-Begründung Sie eigentlich gerade an der Schuldenbremse vorbeiregieren”. Linken-Chefin Janine Wissler lehnte die “Sonderschulden” für die Bundeswehr ab. “Aufrüstung soll in diesem Land wieder Verfassungsrang bekommen”, kritisierte Wissler das Vorhaben.
LINDNER – SCHULDENBREMSE BLEIBT ERHALTEN
Lindner unterstrich, dass die Ausnahme des Bundeswehrfonds von der Schuldenbremse eine einmalige Sache sei. “Die Schuldenbremse selbst bleibt für alle anderen Aufgaben und Vorhaben erhalten”, unterstrich der FDP-Politiker. Die Koalition antworte auf die sicherheitspolitische Zeitenwende als Folge des Ukraine-Krieges mit einer Stärkung der Streitkräfte. “Wir antworten auf die ökonomische Zeitenwende der Inflation durch die Rückkehr zu soliden Haushalten und das Ende immer neuer Schulden.” Lindner will im Haushalt 2023 die Schuldenbremse wieder einhalten. Das ist in der Koalition vereinbart.
SPD-Haushälter Dennis Rohde bezeichnete den Etat als Ausdruck der Bemühungen, “im Zeichen von Krieg und Inflation dieses Land zusammenzuhalten”. Die innere Sicherheit und die soziale Sicherheit würden nicht vergessen. Es gebe 2000 Stellen für zusätzliche Bundespolizisten, und die soziale Sicherheit werde durch die Entlastungspakete gestärkt. Grünen-Haushälter Sven-Christian Kindler dankte der Union, dass sie beim Bundeswehrfonds einer “Neuverschuldung von 100 Milliarden Euro an der Schuldenbremse vorbei zugestimmt hat”. Kindler mahnte weitere strukturelle Entlastungen an. Im Koalitionsvertrag seien das Energiegeld “finanziert aus allgemeinen Haushaltsmitteln” und die Kindergrundsicherung vereinbart. Er erwarte, dass dies in der Finanzplanung des Finanzministers abgesichert werde.