– von Emma Farge und Holger Hansen
Genf/Berlin (Reuters) – Die mehr als zehntägigen Verhandlungen in Genf über ein weltweites Abkommen gegen Plastikmüll sind vorerst gescheitert.
Trotz einer Verlängerung bis in den frühen Freitagmorgen fanden die Vertreter von rund 180 Staaten erneut keine Einigung. “Genf hat nicht das Abkommen gebracht, das wir brauchen, um Plastikverschmutzung weltweit einzudämmen”, erklärte Umwelt-Staatssekretär Jochen Flasbarth am Verhandlungsort. Die Interessen lägen noch immer weit auseinander. Dabei geht es vor allem um die Forderung der Europäischen Union (EU) und kleiner Inselstaaten, die Herstellung von neuem Plastik zu begrenzen. Erdölproduzierende Länder und die USA lehnen dies bislang ab.
Die französische Umweltministerin Agnes Pannier-Runacher zeigte sich bei der Abschlusssitzung “wütend, dass trotz der ernsthaften Bemühungen Vieler und echter Fortschritte” keine greifbaren Ergebnisse erzielt worden seien. Mit Blick auf ölproduzierende Länder sagte der kolumbianische Delegierte Haendel Rodriguez, eine Übereinkunft sei “von einer kleinen Zahl von Staaten blockiert worden, die einfach keine Einigung wollten”.
Bereits im Dezember 2024 hatte eine Schlusskonferenz im südkoreanischen Busan keine Einigung gebracht. Der Abschluss war nun für Genf geplant. Im Kern geht es darum, ob ein Abkommen den gesamten Lebenszyklus von Plastik umfasst, von der Produktion bis hin zum Recycling. Ein allein auf Abfallmanagement reduziertes Abkommen ohne wirksame Ansätze zur Regulierung von Produktion und Konsum wäre aus EU-Sicht zu wenig.
“Natürlich können wir nicht verhehlen, dass es tragisch und zutiefst enttäuschend ist, zu sehen, wie einige Länder versuchen, eine Einigung zu blockieren”, sagte der dänische Umweltminister Magnus Heunicke im Namen der EU. Der Vertrag sei notwendig, um “eines der größten Verschmutzungsprobleme, die wir auf der Erde haben”, zu bewältigen.
Der Kunststoffverbrauch ist in den vergangenen Jahren immer weiter gestiegen. Der Großteil davon landet am Ende auf Deponien oder in der Müllverbrennung. Ohne Regulierung könnten Produktion und Verbrauch von Kunststoff nach Einschätzung der Industriestaaten-Organisation OECD von 2020 bis 2040 um 70 Prozent auf dann 736 Millionen Tonnen steigen. Nur sechs Prozent des Kunststoffs stammten dann aus recycelten Quellen.
FLASBARTH SETZT AUF FORTSETZUNG DER VERHANDLUNGEN
Trotz des erneuten Rückschlags soll der 2022 angestoßene Prozess weitergehen. Allerdings ist offen, ob es dazu kommt. Flasbarth sprach die Hoffnung aus, dass eine Einigung zu einem späteren Zeitpunkt gelingen könnte. Deutschland und die EU würden weiterhin “Brücken bauen, damit wir in einer finalen Runde wirklich zum Abschluss kommen”, sagte Flasbarth. Dafür werde mehr Zeit benötigt. “Und vor allem muss der Verhandlungsprozess besser organisiert werden als dies in Busan und in Genf der Fall war”, kritisierte Flasbarth.
Weitere Knackpunkte in den Gesprächen in Genf waren der Umgang mit problematischen Chemikalien und die Finanzierung von Maßnahmen in Entwicklungsländern sowie die künftigen Abstimmungsregeln. Die EU will, dass sich Hersteller von Plastikprodukten an den Kosten beteiligen.
Die eigentlich bis Donnerstag angesetzten Verhandlungen waren in die Verlängerung gegangen. Bis in die frühen Morgenstunden am Freitag wurde versucht, die Grundlage für ein Rahmenabkommen zu legen. Mehr als tausend Delegierte waren in Genf zur sechsten Verhandlungsrunde zusammengekommen. Der zwischenstaatliche Verhandlungsausschuss (INC) wurde 2022 von der Umweltversammlung der Vereinten Nationen (UNEA) eingesetzt. Die Delegierten sollen ein rechtsverbindliches globales Abkommen zur Bekämpfung der Plastikverschmutzung entwickeln.
(Redigiert von Elke Ahlswede. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)