Präsidentenwahl in Bolivien: Schwere Schlappe für regierende Linke

La Paz (Reuters) – Bei der Präsidentschaftswahl in Bolivien haben die regierenden Sozialisten eine dramatische Niederlage erlitten.

Die Partei “Bewegung zum Sozialismus” (MAS) kam mit ihrem Kandidaten Eduardo del Castillo nach ersten offiziellen Ergebnissen auf gerade einmal knapp 3,2 Prozent. Mit fast 32,2 Prozent fuhr der in der politischen Mitte angesiedelte Senator Rodrigo Paz das beste Ergebnis ein, wie aus den am Sonntagabend (Ortszeit) veröffentlichten Zahlen des Wahltribunals weiter hervorging. Auf dem zweiten Platz folgt der konservative Ex-Präsident Jorge “Tuto” Quiroga mit knapp 26,9 Prozent. Damit steuert Bolivien auf eine Stichwahl zu, nach der das südamerikanische Land in jedem Fall politisch weiter nach rechts rücken dürfte.

“Bolivien fordert nicht nur einen Regierungswechsel, es will eine Änderung des politischen Systems”, sagte Paz von der Christdemokratischen Partei (PDC). “Das ist der Anfang eines großen Sieges, einer großen Transformation.” Seine Anhänger skandierten “Erneuerung”. Paz’ Triumph kommt überraschend: In Umfragen lag er mit nur zehn Prozent weit hinter Quiroga. Paz und Quiroga treten nun am 19. Oktober in einer Stichwahl gegeneinander an, weil keiner der beiden mehr als 40 Prozent der Stimmen auf sich vereinen konnte.

Paz kann für die Stichwahl auf wichtige Unterstützung zählen: Der drittplatzierte Geschäftsmann Samuel Doria Medina von der Mitte-Rechts-Koalition Alianza Unidad stellte sich hinter ihn. In Umfragen hatte Medina noch vor Paz gelegen.

Bestimmendes Thema des Wahlkampfs war die höchste Inflation seit vier Jahrzehnten. Die Teuerung hat sich seit Jahresbeginn auf 23 Prozent verdoppelt, zudem sind Treibstoff und Dollar-Devisen knapp geworden. Sowohl Paz als auch Quiroga versprechen einen deutlichen Kurswechsel. Paz plant eine Dezentralisierung durch ein “50-50-Wirtschaftsmodell”, bei dem die Zentralregierung nur noch die Hälfte der öffentlichen Mittel verwalten würde.

Quiroga, der von 2001 bis 2002 bereits Präsident war, befürwortet tiefe Einschnitte bei den öffentlichen Ausgaben und eine Abkehr von den Bündnissen mit linksregierten Ländern Venezuela, Kuba und Nicaragua. Er versprach den Wählern einen radikalen Wandel, um “20 verlorene Jahre” unter der MAS-Herrschaft umzukehren.

Die Wahlergebnisse deuten darauf hin, dass Millionen Wähler die MAS abstrafen wollten. Für die Sozialisten ist es das schwächste Ergebnis seit Jahrzehnten. Der scheidende Präsident Luis Arce erkannte das Wahlergebnis an und erklärte: “Die Demokratie hat triumphiert”.

Die Abstimmung am Sonntag verlief nach Angaben internationaler Beobachter und der Behörden weitgehend störungsfrei, die Wahlbeteiligung sei stabil gewesen. Zuvor hatte es lediglich kleinere Zwischenfälle in Wahllokalen in der zentralen Region Cochabamba gegeben, der politischen Hochburg des einflussreichen Ex-Präsidenten Evo Morales. Dieser durfte nicht zur Wahl antreten und hatte zum Boykott aufgerufen. Der Mitbegründer der MAS wurde nach einem gescheiterten Versuch, die Verfassung zu ändern, um sich eine vierte Amtszeit zu ermöglichen, von der Kandidatur ausgeschlossen.

(Bericht von Lucinda Elliott, Monica Machicao und Daniel Ramos, geschrieben von Sabrina Frangos und Elke Ahlswede, redigiert von Christian Götz. Bei Rückfragen wenden Sie sich an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)

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