– von Reinhard Becker und Rene Wagner
Berlin (Reuters) – Während die Arbeitslosenzahl die Drei-Millionen-Grenze zu übersteigen droht, trübt sich die Verbraucherlaune hierzulande zunehmend ein.
Das für September berechnete Konsumklima-Barometer sank um 1,9 Punkte auf minus 23,6 Zähler, wie die GfK-Marktforscher und das Nürnberg Institut für Marktentscheidungen (NIM) am Mittwoch mitteilten. “Mit dem dritten Rückgang in Folge befindet sich das Konsumklima nun definitiv in der Sommerflaute”, sagte der NIM-Experte Rolf Bürkl zu der August-Umfrage unter rund 2000 Verbrauchern. Ein wesentlicher Grund, auch für den spürbaren Rückgang der Einkommensaussichten, dürften demnach die zunehmenden Sorgen um den Arbeitsplatz sein.
Die Bundesagentur für Arbeit (BA) rechnet laut ihrer Chefin Andrea Nahles für August mit über drei Millionen Erwerbslosen. Nachdem diese Marke im Juli nur knapp unterboten wurde, könnte sie mit den am Freitag anstehenden Daten für den laufenden Monat erstmals seit über zehn Jahren überstiegen werden. Ein Alarmzeichen, das mit der immer trüberen Verbraucherlaune seine Schatten vorauswirft: “Eine zunehmende Angst vor Jobverlust sorgt dafür, dass viele Konsumenten gerade mit größeren Anschaffungen weiterhin vorsichtig bleiben”, resümierte Experte Bürkl.
Für die Sorgen gibt es handfeste Gründe: Denn die Unternehmen bauen angesichts der anhaltenden Konjunkturflaute verstärkt Arbeitsplätze ab. Das zeigt das vom Ifo-Institut ermittelte Beschäftigungsbarometer: Es sank im August auf 93,8 Punkte, von 94,0 Punkten im Juli. “Der Arbeitsmarkt kommt nicht aus der Krise”, konstatierte der Leiter der Ifo-Umfragen, Klaus Wohlrabe. “Die stagnierende Wirtschaft lässt die Unternehmen bei den Personalplanungen vorsichtig agieren.” Nachdem das Bruttoinlandsprodukt im Frühjahr geschrumpft war, dürfte es laut Ifo im dritten Quartal voraussichtlich nur minimal um 0,1 Prozent wachsen.
Einer der Gründe für die Malaise: Die deutsche Industrie produziert einer Studie zufolge deutlich teurer als ihre Konkurrenten. Die Lohnstückkosten lagen im vergangenen Jahr um 22 Prozent höher als der Schnitt von 27 untersuchten Industriestaaten, wie aus der Untersuchung des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln (IW) hervorgeht. Demnach schneiden nur Lettland, Estland und Kroatien schlechter ab.
Die inländische Nachfrage werde immer wichtiger für die wirtschaftliche Entwicklung, betonte die Konjunkturchefin des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin), Geraldine Dany-Knedlik: “Deshalb hängt jetzt viel davon ab, wie schnell die Bundesregierung ihre ambitionierten Ausgabenpläne umsetzen kann, um die deutsche Wirtschaft wieder klarer auf Wachstumskurs zu bringen.” Laut einer Forsa-Umfrage zweifelt eine Mehrheit von 61 Prozent der Bundesbürger allerdings generell daran, dass es der Regierung gelingen wird, die Wirtschaft wieder voranzubringen.
HANDEL FORDERT VON MERZ SOFORTPROGRAMM
“Dass das Konsumentenvertrauen das dritte Mal in Folge gesunken ist, zeigt, dass es der Bundesregierung bislang nicht gelungen ist, mit Verweis auf die geplanten Infrastrukturmaßnahmen und steuerlichen Investitionsanreize bei der Stimmung das Ruder herumzureißen”, so die Einschätzung des Chefvolkswirts der Hamburg Commercial Bank, Cyrus de la Rubia. Der Handelsverband Deutschland (HDE) fordert vor diesem Hintergrund von Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) rasche Maßnahmen zur Stärkung der heimischen Konjunktur. “Die Bedeutung der Binnenwirtschaft muss aktuell mehr in den Fokus rücken”, heißt es in dem Schreiben, das der Nachrichtenagentur Reuters vorlag. Einzelhandel, Dienstleistungssektor und Handwerk seien zwar stark aufgestellt und leistungsfähig. Sie litten jedoch unter hohen Kosten. “Es braucht ein Sofortprogramm für die Binnenwirtschaft”, schreiben HDE-Präsident Alexander von Preen und HDE-Hauptgeschäftsführer Stefan Genth an Merz. “Schnelles Handeln ist gefragt.”
Nach zuvor fünf Anstiegen in Folge ging es auch mit den Einkommensaussichten der Verbraucher im August bergab. Neben den Sorgen über einen möglichen Verlust des Arbeitsplatzes dürften laut den Nürnberger Konsumforschern unter den Verbrauchern auch die anhaltende Verunsicherung über die Entwicklung der Preise eine Rolle spielen. “Die Teuerung ist zwar gefallen, das gestiegene Preisniveau verschreckt aber”, erläuterte der Chefvolkswirt der Hauck Aufhäuser Lampe Privatbank, Alexander Krüger. Allerdings neigten die Deutschen zu Pessimismus, den Kaufentscheidungen nicht spiegeln müssten: “Immerhin ist der private Verbrauch trotz schlechter Konsumlaune seit sechs Quartalen gewachsen. Bei steigenden Realeinkommen dürfte der Konsum letztlich weiter zunehmen.”
(Bericht von Reinhard Becker, Rene Wagner, redigiert von Sabine Ehrhardt. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)