Warken schließt Leistungskürzungen wegen Kassendefizit nicht aus

Berlin (Reuters) – Angesichts eines drohenden Milliardendefizits in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) soll eine Expertenkommission eine grundlegende Finanzreform ausarbeiten.

Erste Vorschläge soll das von Gesundheitsministerin Nina Warken am Freitag eingesetzte Gremium im Frühjahr 2026 vorlegen. Zur kurzfristigen Stabilisierung der Krankenkassenbeiträge für 2026 schloss die CDU-Politikerin auch Leistungseinschnitte nicht aus. Um die für 2026 erwartete Deckungslücke von vier Milliarden Euro zu schließen, sei neben zusätzlichen Mitteln aus dem Bundeshaushalt auch ein Spargesetz denkbar. Konkrete Maßnahmen nannte sie mit Verweis auf laufende Regierungsgespräche nicht.

Die Finanzlücke für 2026 sei nur die “Spitze des Eisbergs”, räumte Warken ein. Ohne Gegenmaßnahmen werde das Defizit ab 2027 in den zweistelligen Milliardenbereich rutschen. Sie verwies auf die gestiegene Beitragsbelastung. Der Zusatzbeitrag sei von 1,3 Prozent im Jahr 2021 auf nun 2,9 Prozent gestiegen. Dies bedeute eine Mehrbelastung von über 30 Milliarden Euro in vier Jahren. Der allgemeine Beitragssatz liegt bei 14,6 Prozent, sodass der durchschnittliche Krankenkassenbeitrag im Moment 17,5 Prozent des Bruttolohns beträgt. Den Beitrag teilen sich Arbeitnehmer und Arbeitgeber.

WARKEN: VIELLEICHT MIX AUS MEHR GELD UND SPAREN

Ohne Sofortmaßnahmen droht für 2026 eine nochmalige Erhöhung des Zusatzbeitrages, dessen durchschnittliche Höhe Warken spätestens Anfang November festlegen muss. “Eine Lösung ist, mehr Mittel aus dem Haushalt zu bekommen”, sagte die Ministerin. “Wenn uns das nicht gelingt, dann muss auch über andere Maßnahmen nachgedacht werden, die einen Spareffekt haben. Ja, vielleicht auch ein Mix aus beidem.” Man sei dazu in Gesprächen mit dem Koalitionspartner. Mit der Forderung nach mehr Geld aus dem Haushalt war Warken bisher nicht erfolgreich.

Die GKV stehe vor historischen Herausforderungen, sagte Warken. Die zumutbaren Belastungen für Arbeitnehmer und Arbeitgeber hätten langsam, aber sicher ihre Grenze erreicht. Ziel sei es, den Automatismus jährlicher Beitragssteigerungen zu durchbrechen. “Wir müssen im Gesundheitswesen mit den Einnahmen wirtschaften, die vorhanden sind.”

Die “Finanzkommission Gesundheit” aus zehn Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern soll in einem zweistufigen Verfahren Vorschläge ausarbeiten. Bis Ende März 2026 soll ein erster Bericht mit kurzfristig wirksamen Maßnahmen zur Stabilisierung der Beiträge ab 2027 vorliegen. Bis Ende 2026 soll ein zweiter Bericht mit strukturellen Anpassungen folgen, um das Ausgabenwachstum nachhaltig zu reduzieren. Die Kommission arbeite frei von politischer Einflussnahme, sagte Warken.

(Bericht von Holger Hansen, redigiert von Thomas Seythal)

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