Berlin/Los Angeles (Reuters) – In den USA und in Deutschland ist eine Debatte um Medien- und Meinungsfreiheit entbrannt.
Letzter Auslöser ist in den USA die Absetzung der Late-Night-Show “Jimmy Kimmel Live”, was von US-Präsident Donald Trump ausdrücklich begrüßt wurde. Trump hatte zuvor die “New York Times” mit einer Milliardenklage überzogen. In Deutschland sorgt unterdessen die Entscheidung des NDR für Diskussionen, der Journalistin Julia Ruhs die Moderation einer Sendung zu entziehen. Die Fälle weisen große Unterschiede auf, berühren aber die Frage, wie weit die publizistische Freiheit in liberalen Demokratien gehen soll und kann. Zuletzt hatte es aus Deutschland Kritik an der Einschränkung der Meinungsfreiheit in den USA gegeben – und von Trump-Anhängern der Vorwurf, diese sei in Deutschland gefährdet.
In den USA erntete der zum Disney-Konzern gehörenden Sender ABC scharfe Kritik aus der Medienbranche für die Absetzung der Kimmel-Show. Künstler- und Autorengewerkschaften warfen dem Präsidialamt und dem Sender einen Angriff auf die Redefreiheit und staatliche Zensur vor. ABC hatte zuvor die Sendung auf unbestimmte Zeit abgesetzt und dies mit Äußerungen des Moderators über den tödlichen Anschlag auf den rechtskonservativen Aktivisten Charlie Kirk begründet. Kritiker befürchten, die Regierung von Präsident Trump könne die Tat als Vorwand nutzen, um gegen unliebsame Personen und Organisationen vorzugehen. Trump hatte die Absetzung der Kimmel-Show auf seiner Social-Media-Plattform begrüßt und ein ebensolches Verfahren mit weiteren Sendungen verlangt, die er kritisch sieht. Mitte Juli hatte der Sender CBS angekündigt, die Late-Night-Show von Stephen Colbert zum Mai 2026 abzusetzen, der ebenfalls als Trump-Kritiker gilt.
Der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) warnte vor “vorauseilendem Gehorsam” gegenüber der US-Regierung und forderte die US-Medien auf, ihren Journalisten den Rücken zu stärken.
UNION KRITISIERT NDR IM FALL RUHS
In Deutschland schalteten sich zwei Unions-Ministerpräsidenten in den Streit um die Journalistin Ruhs ein. Die als konservativ geltende Journalistin war im NRD wegen der Moderation der Sendung “Klar” in die Kritik geraten. NDR und Bayerischer Rundfunk wollen die Sendung zwar künftig weiter produzieren – Ruhs soll aber nur noch vom BR-produzierte Sendungen moderieren. Ruhs hatte sich einen Namen mit der Kritik an einer “links-grünen Meinungsmacht” gemacht. Die “Klar”-Sendungen sind allerdings wie alle anderen Produktionen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks überall in Deutschland abrufbar.
Der schleswig-holsteinische Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) hatte die Entscheidung des NRD als “extrem schlechtes Signal” bezeichnet. Sein Bundesland gehört zum NDR-Sendegebiet. Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) hatte die Entscheidung ebenfalls kritisiert. “Das ist linke ‘Cancel Culture’ in Reinkultur”, kritisierte CSU-Generalsekretär Martin Huber am Donnerstag. Eine konservative Journalistin solle im öffentlich-rechtlichen Rundfunk “mundtot” gemacht werden. Der Fall befeuert die vor allem von Union und AfD geforderte Reform des Öffentlich-rechtlichen Rundfunks.
IN DEN USA ESKALIERT STREIT
Die Gewerkschaften der Autoren und Schauspieler verurteilten die Absetzung der Kimmel-Show am Mittwochabend scharf. “Was wir unterschrieben haben – so schmerzhaft es manchmal auch sein mag – ist die befreiende Übereinkunft, unterschiedlicher Meinung zu sein”, hieß es in einer Erklärung der US-Drehbuchautorengewerkschaft Writers Guild of America. “Schande über diejenigen in der Regierung, die diese grundlegende Wahrheit vergessen. Was unsere Arbeitgeber angeht: Unsere Worte haben euch reich gemacht. Uns zum Schweigen zu bringen, macht die ganze Welt ärmer.” Die Musikergewerkschaft sprach von “staatlicher Zensur”.
Jüngster Auslöser für die Eskalation war die Ermordung des 31-jährigen Kirk, der als wichtiger Unterstützer von Trump und als dessen Sprachrohr für die Jugend galt. Kimmel, der als scharfer Kritiker Trumps gilt, hatte am Montag in seiner Sendung gesagt, die Verbündeten Kirks nutzten dessen Tod, um daraus politisches Kapital zu schlagen. Trumps Trauerbekundung verglich er damit, “wie ein Vierjähriger einen Goldfisch betrauert”. Daraufhin hatte die Nexstar Media Group angekündigt, die Sendung auf ihren 32 ABC-Tochtersendern nicht mehr auszustrahlen. Der von Trump eingesetzte Chef der US-Medienaufsichtsbehörde FCC forderte lokale Sender ebenfalls auf, die Show abzusetzen. Trump hatte jedoch schon vorher Medien mit Klagen überzogen und die Absetzungen von Sendungen gefordert, in denen er kritisiert wurde.
(Bericht von Dawn Chmielewski, geschrieben von Andreas Rinke, Philipp Krach, redigiert von Kerstin Dörr. Bei Rückfragen wenden Sie sich an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)