Tokio/Berlin (Reuters) – Japans Notenbank hat in einer intern umstrittenen Entscheidung den Leitzins konstant gehalten, zugleich aber die Weichen für einen strafferen Kurs gestellt.
Der geldpolitische Schlüsselsatz von 0,50 Prozent wurde am Freitag nicht angetastet. Doch stimmten überraschend zwei Währungshüter für eine Erhöhung. Experten sehen dies als Vorzeichen, dass die Notenbank auf Straffungskurs gehen könnte: Einige Analysten erwarten eine Zinserhöhung bereits im Oktober. Andere setzen noch ein Fragezeichen dahinter – auch wegen der politischen Unsicherheit, die durch die Rücktrittsankündigung von Regierungschef Shigeru Ishiba und die anstehende Klärung der Nachfolge entstanden ist.
Die Notenbank rammte allerdings erste Pflöcke ein, die den Weg zu einer weniger expansiven Geldpolitik ebnen: Sie will börsengehandelte Fonds (ETFs) im Wert von jährlich rund 330 Milliarden Yen (1,69 Milliarden Euro) veräußern. Sie beschloss zudem, japanische Immobilien-Investmentfonds (J-REITs) im Volumen von jährlich rund fünf Milliarden Yen abzustoßen. “Die nun avisierten Verkäufe sind auf jeden Fall ein klares Signal für ein grundsätzliches Bedürfnis der Bank of Japan, perspektivisch eine weniger expansiv ausgerichtete geldpolitische Strategie verfolgen zu wollen”, erläuterte NordLB-Analyst Tobias Basse. Damit könnten diese Pläne durchaus als Hinweis auf bald anstehende Erhöhungen des Leitzinses gewertet werden.Die BoJ hat im Rahmen eines langjährigen Ankaufprogramms zur Stützung der lahmenden Wirtschaft ETFs im Wert von 37 Billionen Yen in ihrer Bilanz angehäuft. Notenbankchef Kazuo Ueda wies vor der Presse darauf hin, dass die BoJ mit dem nun beschlossenen Tempo des Abbaus über 100 Jahre brauchen würde, alle ETFs und REITs abzustoßen. Doch sei man entschlossen, den Gesamtbestand zu veräußern.
VORLÄUFIGES ENDE DER AKTIENMARKT-RALLY
Der Abbau-Beschluss sei ebenso überraschend gekommen wie die Tatsache, dass sich bei den Beratungen zwei Währungshüter für eine Zinserhöhung ausgesprochen hätten, sagte Hirofumi Suzuki, leitender Anlagestratege der Bank SMBC. Die Aussicht auf eine nahende Straffung der Geldpolitik bereitete der japanischen Aktienmarkt-Rally ein vorläufiges Ende. Der Nikkei-Index verlor 0,6 Prozent auf 45.020 Punkte, nachdem er gestützt auf positive US-Vorgaben zunächst ein Rekordhoch von 45.852,75 Zählern markiert hatte. Japanische Anleihen wurden von Investoren ebenfalls aus den Depots geworfen.
Die BoJ hat die Zinsen zuletzt im Januar erhöht. Angesichts der Unsicherheit mit Blick auf den Handelskonflikt mit den USA wechselte sie danach in einen Wartemodus. Ueda machte deutlich, dass Zinserhöhungen auf der Agenda bleiben: “Die Realzinsen bleiben sehr niedrig. Sollten sich unsere Konjunktur- und Preisprognosen bewahrheiten, werden wir die Zinsen entsprechend der Verbesserung der Konjunktur und der Preisentwicklung weiter anheben.”
Angesichts der Aussicht auf eine Abschwächung der US-Wirtschaft und weiterer bevorstehender Zinssenkungen durch die Federal Reserve in Washington könnte es für die BoJ allerdings zunehmend schwieriger werden, in die entgegengesetzte Richtung zu gehen und die Zinsen zu erhöhen, meint Shinichiro Kobayashi, Chefökonom bei Mitsubishi UFJ Research and Consulting.
“Auch die Politik muss genau im Auge behalten werden”, meint Nord-LB-Experte Basse. Japans Ministerpräsident Ishiba bleibt geschäftsführend im Amt, bis die Regierungspartei LDP einen Nachfolger bestimmt hat. Der Parteichef der LDP wird in der Regel auch Regierungschef. Der neue Parteichef soll nach Informationen aus Parteikreisen am 4. Oktober gewählt werden. “Ohne größeres Störfeuer durch den neuen Regierungschef sollte die Bank of Japan dann aber im Oktober oder Dezember in der Lage sein, eine wirklich vorsichtige Leitzinsanhebung vorzunehmen” prophezeit Basse.
(Bericht von Leika Kihara, geschrieben von Reinhard Becker, Mitarbeit Hakan Ersen, redigiert von Christian Götz. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)