Umfrage: Deutsche Wirtschaft mit stärkstem Wachstum seit 16 Monaten

Berlin (Reuters) – Die deutsche Wirtschaft hat dank Rückenwind der Service-Branche im September so stark zugelegt wie seit Mai 2024 nicht mehr.

Der Einkaufsmanagerindex für die Privatwirtschaft mit Industrie und Dienstleistern stieg überraschend kräftig um 1,9 auf 52,4 Punkte, wie der Finanzdienstleister S&P Global am Dienstag zu seiner monatlichen Umfrage unter Einkaufsmanagern mitteilte. Fachleute hatten nur mit einem Mini-Anstieg auf 50,6 Zähler gerechnet. Das Barometer hielt sich damit den vierten Monat in Folge über der Marke von 50, ab der es Wachstum signalisiert. “Die Gesamtwirtschaft wächst so schnell wie seit sechzehn Monaten nicht mehr”, sagte Chefökonom Cyrus de la Rubia von der Hamburg Commercial Bank (HCOB). “Doch es ist Vorsicht geboten.” Denn der Optimismus lasse nach.

Das schwankende Neugeschäft besonders in der Industrie, aber auch bei den Dienstleistern zeige, dass sich das Wachstum erneut verlangsamen könnte. “Trotz der Milliardeninvestitionen und Investitionserleichterungen, die die Regierung versprochen hat, bleibt die Zuversicht der Unternehmen recht gedämpft”, sagte der HCOB-Analyst. Das dürfte sich erst ändern, wenn die geplanten öffentlichen Investitionsprojekte in der Breite sichtbar würden.

DIENSTLEISTER IM AUFWIND – “UNGEMACH BEI DER INDUSTRIE”

Im Servicesektor kletterte der Indexwert von 49,3 Punkte auf 52,5 Zähler und entwickelte sich weit besser als gedacht. Das Barometer für die Industrie fiel jedoch von 49,8 auf 48,5 Punkte und entfernte sich damit noch weiter von der Wachstumsschwelle. “Im Verarbeitenden Gewerbe bahnt sich Ungemach an”, erklärte de la Rubia. Zwar steigerten die Betriebe bereits sieben Monate in Folge ihre Produktion. “Aber die Auftragseingänge sind im September eingebrochen.” Falls sich der Nachfrage-Rückgang aus dem In- und Ausland verfestigen sollte, dürften die Hersteller schon bald auch bei der Produktion auf die Bremse treten.

Ein gemischtes Signal für die deutsche Wirtschaft zum Ende des drittel Quartals sieht auch LBBW-Experte Elmar Völker. “Einerseits ist der Stimmungsaufschwung in der Industrie vorerst beendet.” Andererseits fassten die Dienstleister neuen Mut. “In der Summe ist dies ein vorsichtiges Hoffnungszeichen, dass die deutsche Wirtschaft zum Jahresende hin aus der Stagnationsfalle herausfinden könnte.” Für einen nachhaltigen Aufwind seien zwei Dinge nötig: Zum Ersten das Ausbleiben weiterer negativer Schocks mit Blick auf die Handelspolitik. “Zum Zweiten muss die Bundesregierung ihren Reformankündigungen Taten folgen lassen.”

Die überraschend guten Daten aus Deutschland sorgten dafür, dass auch der Index für die Euro-Zone – Industrie und Dienstleister zusammengenommen – leicht um 0,2 auf 51,2 Punkte stieg. Das Barometer liegt damit den neunten Monat in Folge über der Wachstumsmarke. “Von einer großen Dynamik ist man allerdings weit entfernt”, resümierte de la Rubia vom Umfragesponsor HCOB. Commerzbank-Chefökonom Jörg Krämer sagte, das Barometer “kriecht weiter nach oben und liegt nach wie vor in einem Bereich, bei dem in der Vergangenheit nur ein unterdurchschnittliches Wachstum zu beobachten war”. Auch Chefvolkswirt Thomas Gitzel von der VP Bank aus Liechtenstein betonte: “Die Euphorie hält sich trotz des leichten Anstiegs in engen Grenzen.”

Die Industriestaatengruppe OECD äußerte sich zurückhaltend zu den Konjunkturaussichten in Deutschland und Europa. Nach zwei Rezessionsjahren in Folge dürfte die deutsche Wirtschaft 2025 nur um 0,3 Prozent zulegen und im nächsten Jahr um weitere 1,1 Prozent. Das Wachstum im Euroraum wird demnach 2025 voraussichtlich bei 1,2 Prozent liegen und 2026 bei 1,0 Prozent, wie die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) in ihrer aktualisierten Prognose mitteilte. “In Deutschland dürfte eine expansive Haushaltspolitik die Konjunktur ankurbeln, doch die erwartete Konsolidierung in Frankreich und Italien wird das Wachstum dämpfen.”

(Bericht von Klaus Lauer und Reinhard Becker, redigiert von Christian Rüttger.; Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com)

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