Pilotenstreik bei Lufthansa rückt nach klarem Votum näher

– von Ilona Wissenbach

Frankfurt (Reuters) – Bei der Lufthansa bahnt sich mitten im Ringen um Einsparungen ein Streik der Piloten bei der Kernmarke mit dem Kranich an.

Die Mitglieder der Gewerkschaft Vereinigung Cockpit (VC) gaben am Dienstag mit großer Mehrheit ein Votum ab, nach dem sie ab jetzt streiken könnten. Im Tarifstreit um höhere Arbeitgeberbeiträge zur Betriebsrente könnten “bei Bedarf alle notwendigen Maßnahmen bis hin zu Arbeitskampfmaßnahmen” eingeleitet werden. Die Gewerkschaft forderte die Lufthansa auf, “endlich” ein verhandlungsfähiges Angebot vorzulegen. Lufthansa-Personalvorstand Michael Niggemann erklärte, die VC wolle die Verhandlungen wieder aufnehmen.

“Das begrüßen wir, denn tragfähige Lösungen können nur am Verhandlungstisch gefunden werden”, ergänzte Niggemann. Das Streik-Votum habe die Gestaltungsspielräume aber nicht vergrößert. Der Personalchef mahnte eine Lösung an, die mit der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Kernmarke vereinbar wäre. Diese macht dem Unternehmen zufolge aber schon länger keinen Gewinn. Damit ist fraglich, ob die Lufthansa einen Streik womöglich in den Herbstferien noch abwenden kann.

ANALYSTEN SKEPTISCH

Der Tarifstreit wird nicht nur von Tausenden Lufthansa-Kunden, die in den anstehenden Herbstferien mit ihr verreisen wollen, beobachtet, sondern auch an der Börse. Am Montag erst hatte das Management um Lufthansa-Chef Carsten Spohr auf einem Investorentreff ausführlich über Pläne berichtet, wie der zuletzt niedrige Gewinn bis 2030 angekurbelt werden soll. Dazu gehört der Abbau von 4000 Stellen in der Verwaltung, überwiegend am teuren Standort Deutschland. Analysten äußerten sich am Dienstag aber skeptisch, ob Spohr die Pläne umsetzen kann – auch wegen des absehbaren Widerstands der Gewerkschaften. Lufthansa-Aktien verloren mehr als fünf Prozent, nachdem sie am Vortag in Reaktion auf die Wachstums- und Sparpläne zugelegt hatten.

Die Gewerkschaft fordert für die rund 4800 Cockpit-Beschäftigten höhere Arbeitgeberbeiträge zur betrieblichen Altersvorsorge. Denn seit das System 2017 umgestellt wurde von einer Arbeitgebergarantie der Auszahlung auf eine Garantie der Einzahlungen, habe sich das Versorgungsniveau wegen geringer Verzinsung verschlechtert. Die Lufthansa lehnte das als unbezahlbar ab. Die Forderung bedeute, dass sich ihr Beitrag auf 228 Millionen Euro im Jahr mehr als verdoppeln würde. Nach einer Beispielrechnung der VC würde der Arbeitgeberbeitrag von 820 Euro im Monat auf 1800 Euro steigen. “Die Pilotinnen und Piloten stehen klar hinter den Forderungen und ihrer Tarifkommission”, sagte VC-Präsident Andreas Pinheiro. Bei mehr als 90 Prozent Wahlbeteiligung sprachen sich 88 Prozent der Lufthansa-Piloten und sogar 96 Prozent bei der Frachtairline Lufthansa Cargo dafür aus.

KOSTENDRUCK

Ein Arbeitskampf bei der Lufthansa könnte in den Herbstferien Tausende Fluggäste treffen. Der Ausstand würde die Kosten bei der Premiumairline weiter in die Höhe treiben, die seit dem vergangenen Jahr rote Zahlen schreibt. Der Chef von Lufthansa Airlines, Jens Ritter, hatte gewarnt, bei weiterem Anstieg der Personalkosten im Cockpit müssten weitere Flugzeuge von der Lufthansa zu den günstiger arbeitenden neuen Flugbetrieben City und Discover Airlines verlagert werden. Die Lufthansa hat die neuen Airlines erklärtermaßen gegründet, um Personalkosten zu senken und profitabler zu werden. Denn mit einer geringen Rendite von 4,4 Prozent im vergangenen Jahr steht der MDax-Konzern am Kapitalmarkt unter Druck. Am Montag versprach sie, die Marge bis Ende des Jahrzehnts auf acht bis zehn Prozent zu steigern. Das fliegende Personal der neuen Betriebe arbeitet laut Lufthansa zu 40 Prozent niedrigeren Kosten als das der Kernmarke. Die Lufthansa-Piloten sind mit Jahresgehältern von 80.000 bis 250.000 Euro die bestbezahlte Beschäftigtengruppe im Konzern.

Analysten von JP Morgan erklärten, sie sähen Fragezeichen und Risiken, ob eine Umsetzung der vielen vorgestellten Maßnahmen und des “Turnaround”-Programms der Kernmarke gelingen wird. Ein Risikofaktor sei neben höherer Inflation Widerstand der Gewerkschaften gegen den Stellenabbau und die Expansion der günstigeren neuen Flugbetriebe. “Wir müssen noch überzeugt werden von der Equity-Story und dem Turnaround der Airline”, schrieb Bankanalyst Harry Gowers. Die Branchenexperten der Deutschen Bank erklärten, die schwache Ertragslage der Lufthansa sei angesichts ihrer am Montag dargelegten starken Marktposition umso überraschender. Deutsche-Bank-Analyst Jaime Rowbotham führte ebenfalls den Druck der Gewerkschaften als Hindernis für höhere Profitabilität an. So hatte die Gewerkschaft Verdi am Montag erklärt, keinen Kahlschlag in der Lufthansa-Verwaltung zulassen zu wollen.

(Redigiert von Ralf Banser; Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an die Redaktionsleitung unter frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com)

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