Zürich (Reuters) – Der Schweizer Elektrotechnikkonzern ABB verkauft überraschend seine Robotik-Sparte.
Statt der in Aussicht gestellten Abspaltung über einen Börsengang geht das Geschäft für rund 5,4 Milliarden Dollar an den japanischen Technologie-Investor SoftBank. Der Siemens-Rivale will das Geld vor allem in die florierenden Geschäftsfelder Elektrifizierung und Automation stecken, wie Konzernchef Morten Wierod am Mittwoch erklärte. ABB peile Investitionen in Technologie und Kapazitätserweiterungen sowie Zukäufe an. “Wir wollen sowohl organisch als auch anorganisch wachsen, und jetzt haben wir noch mehr Feuerkraft, um dies zu erreichen”, sagte Wierod nach der ersten großen Transaktion seit seinem Amtsantritt vor gut einem Jahr.
ABB hatte im April angekündigt, das Roboter-Geschäft 2026 als eigenständiges Unternehmen an die Börse bringen zu wollen. Zum Gesinnungswandel hin zu einem Verkauf sagte Wierod, SoftBank habe ein interessantes Angebot vorgelegt. “Auf diese Weise erhalten wir das Geld vorab und erzielen im Vergleich zu einer Börsennotierung einen sofortigen Mehrwert”, erklärte der Norweger. Der Abschluss der Transaktion werde für Mitte bis Ende 2026 erwartet und unterliege noch der Zustimmung der zuständigen Behörden.
Die Anleger reagierten erfreut auf den Deal, an der Börse kletterten die ABB-Aktien im Morgenhandel um 1,6 Prozent. “Das ist aus unserer Sicht eine äußerst positive Überraschung”, erklärte ZKB-Analyst Florian Sager. Die ZKB habe ursprünglich damit gerechnet, dass das Roboter-Geschäft bei einem Börsengang auf einen Wert von weniger als vier Milliarden Dollar kommen dürfte. ABB könne sich künftig stärker auf die wachstums- und margenstarken Bereiche Elektrifizierung und Automation konzentrieren. Diese machen den Löwenanteil des ABB-Gesamtwertes von rund 110 Milliarden Dollar aus.
ABB Robotics beschäftigt rund 7000 Mitarbeiter. 2024 erwirtschaftete der Bereich, der Roboter in China, Schweden und den USA produziert, einen Umsatz von 2,3 Milliarden Dollar, was rund sieben Prozent des Konzernumsatzes entspricht. Die operative Marge (Ebita) lag mit 12,1 Prozent deutlich unter den 18,1 Prozent des Gesamtkonzerns. ABB Robotics ist nach der japanischen Fanuc der weltweit zweitgrößte Hersteller von hochpreisigen Industrie-Robotern, weitere Rivalen sind die Augsburger Kuka oder die japanische Yaskawa.
“PHYSISCHE KI IST DIE ZUKUNFT”
ABB und Softbank teilten die Einschätzung, dass die Welt vor einer neuen Ära von auf Künstlicher Intelligenz (KI) basierten Robotik stehe, hieß es in der Mitteilung. “Für Softbank ist physische KI die Zukunft”, erklärte SoftBank-Chef Masayoshi Son. Softbank wolle “künstliche Superintelligenz” und Robotik zusammenführen. Mit der ABB-Transaktion fährt Softbank nach einer Phase der Zurückhaltung seine Investitionstätigkeit in dem Sektor wieder hoch. Bisher haben die Japaner etwa in den humanoiden Roboter Pepper investiert und sind auch an den Logistik-Roboterfirmen Berkshire Grey und AutoStore beteiligt.
Darüber hinaus schoss Softbank kürzlich zwei Milliarden Dollar in den kriselnden US-Chipkonzern Intel ein. Zuvor beteiligten sie sich unter anderem am ChatGPT-Entwickler OpenAI und am US-Projekt “Stargate”. Dabei sollen für 500 Milliarden Dollar neue KI-Rechenzentren entstehen. Außerdem will Softbank gemeinsam mit dem weltgrößten Elektronik-Auftragsfertiger Foxconn in den USA Ausrüstung für Rechenzentren produzieren. Die allgemeine KI-Euphorie trieb die Aktien der Gesellschaft am Dienstag auf einen Rekordstand.
Auch ABB ist vor allem dank dem Konzernumbau von Wierods Vorgänger Björn Rosengren in den letzten Jahren zum Börsenliebling avanciert. Ein Kernelement seiner Strategie war eine Konzentration des Geschäftsportfolios. So verkaufte ABB unter anderem 2021 den Kupplungs- und Getriebehersteller Dodge für 2,9 Milliarden Dollar. Den Turbolader-Anbieter Accelleron verselbstständigte der Konzern 2022. Noch vor Rosengrens Zeit gaben die Schweizer in der bislang größten Transaktion das Stromnetzgeschäft für knapp acht Milliarden Dollar an Hitachi ab.
Angesichts des Roboter-Verkaufs ruht das Geschäft von ABB nun auf drei statt vier Unternehmensbereichen. Der Teilbereich Machine Automation, der gegenwärtig zusammen mit der Robotics-Division den Geschäftsbereich Robotik & Fertigungsautomation bildet, werde in den Geschäftsbereich Prozessautomation integriert. Bei Abschluss erwartet der Konzern einen Barerlös nach Transaktionskosten von rund 5,3 Milliarden Dollar. Die Abspaltungskosten bezifferte ABB auf rund 200 Millionen Dollar.
(Bericht von Oliver Hirt, John Revill und Sam Nussey, redigiert an Ralf Banser. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)