Einigung zwischen Israel und der Hamas – Viele offene Fragen

– von Nidal al-Mughrabi und Maayan Lubell

Jerusalem/Kairo (Reuters) – Israel und die radikal-islamische Hamas haben sich auf eine erste Phase zur Beendigung des Kriegs im Gazastreifen verständigt.

Die Nachrichten über die Einigung lösten im Gazastreifen und in Israel spontane Jubelfeiern aus. Unklar war aber noch, ab wann das Abkommen in Kraft tritt. Zunächst hieß es, es trete Donnerstag ab 11.00 Uhr MESZ in Kraft. Eine offizielle Bestätigung dafür gibt es nicht. Das Büro des israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu erklärte, dies geschehe erst nach der Ratifizierung durch das Kabinett am Abend.

International stieß die Einigung auf positive Resonanz. Allerdings sind noch viele Fragen offen. Diese betreffen etwa den Zeitplan, eine Verwaltung für den Gazastreifen nach dem Krieg und das Schicksal der Hamas. Es ist zudem unklar, wer den Gazastreifen nach Kriegsende regieren wird. Im Rahmen des Abkommens sollen die Kämpfe eingestellt werden. Israel zieht sich teilweise aus dem Gazastreifen zurück. Die von der Hamas noch festgehaltenten Geiseln sollen freigelassen werden im Austausch für von Israel inhaftierte Palästinenser. Die Freilassung der 20 vermutlich noch lebenden israelischen Geiseln in Gaza wird für Sonntag oder Montag erwartet, sagte ein israelischer Insider. 26 Geiseln wurden zwischenzeitlich für tot erklärt, das Schicksal von zwei Geiseln ist unbekannt.

Der Rückzug der israelischen Truppen soll innerhalb von 24 Stunden nach der Unterzeichnung des Abkommens beginnen, wie eine über die Einzelheiten des Abkommens informierte Person sagte.

JUBEL IN ISRAEL UND IM GAZASTREIFEN

Die Einigung wurde nur einen Tag nach dem zweiten Jahrestag des Krieges erzielt. Ausgelöst wurde er durch den Überfall der Hamas auf Israel, bei dem 1200 Menschen getötet und 251 Geiseln genommen wurden. Bei der anschließenden israelischen Offensive auf den Gazastreifen wurden nach palästinensischen Angaben mehr als 67.000 Palästinenser getötet. Der Küstenstreifen wurde weitgehend zerstört.

Grundlage für die Einigung war ein von Präsident Donald Trump vorgelegter 20-Punkte-Plan. “Dies ist ein großartiger Tag für die Welt”, sagte der US-Präsident der Nachrichtenagentur Reuters in einem kurzen Telefoninterview. Die ganze Welt sei in dieser Sache zusammengekommen. “Das ist ein wundervoller Tag, ein wundervoller Tag für alle.” Netanjahu bezeichnete das Abkommen als diplomatischen Erfolg und “nationalen und moralischen Sieg für den Staat Israel.” Katar, Ägypten und der Türkei hatten in Zusammenarbeit mit den USA in dem Konflikt vermittelt. Netanjahu telefonierte nach Angaben seines Büros mit Trump. Beide gratulierten sich demnach zu einer “historischen Errungenschaft”. Netanjahu habe Trump eingeladen, eine Rede vor dem israelischen Parlament, der Knesset, zu halten.

Die radikal-islamische Hamas teilte mit, sie habe einer Vereinbarung zur Beendigung des Kriegs im Gazastreifen zugestimmt. Die Einigung umfasse einen israelischen Rückzug aus dem Küstenengebiet sowie einen Austausch von Geiseln gegen Gefangene. Die Hamas forderte Trump und die Garantiemächte auf, sicherzustellen, dass Israel eine Waffenruhe vollständig umsetze, hieß es in der Erklärung weiter. Laut einem Vertreter der Hamas sollen die Geiseln, die noch am Leben sind, innerhalb von 72 Stunden nach der Billigung der Einigung durch die israelische Regierung übergeben werden.

Sowohl in Israel als auch im Gazastreifen feierten Menschen erleichtert auf den Straßen. In Tel Aviv versammelten sich die Familien der festgehaltenen Geiseln auf dem sogenannten “Platz der Geiseln”. “Präsident Trump, vielen Dank. Wir danken ihm, ohne ihn würden unsere Kinder nicht nach Hause zurückkehren”, sagte Hatan Angrest, dessen Sohn Matan eine der Geiseln ist. “Gott sei Dank für die Waffenruhe, das Ende des Blutvergießens und des Tötens”, sagte Abdul Madschid abd Rabbo in der Stadt Chan Junis im Süden des Gazastreifens.

INTERNATIONALES GREMIUM BEI NACHKRIEGSVERWALTUNG GAZAS

Im zweiten Schritt des US-Plans sollen die weitaus kritischeren Fragen geklärt werden, etwa die Entwaffnung der Hamas, die Gewährleistung der Sicherheit im Gazastreifen sowie der Wiederaufbau des palästinensischen Gebiets. Dazu ist für Donnerstag eine Konferenz in Paris geplant, zu der nach Angaben aus diplomatischen Kreisen US-Außenminister Marco Rubio erwartet wird. Auch Bundesaußenminister Johann Wadephul soll teilnehmen.

Die nächste Phase des US-Plans sieht vor, dass ein internationales Gremium unter Führung von Trump und dem ehemaligen britischen Premierminister Tony Blair eine Rolle in der Nachkriegsverwaltung des Gazastreifens spielen soll. Arabische Länder, die den Plan unterstützen, fordern, dass er zu einem unabhängigen palästinensischen Staat führen müsse. Netanjahu lehnt dies jedoch ab. Er sowie Trump und westliche und arabische Staaten haben eine Rolle für die Hamas im Gazastreifen ausgeschlossen. Die Hamas hat erklärt, sie werde die Regierung im Gazastreifen nur an eine palästinensische Technokraten-Regierung abgeben, die von der Palästinensischen Autonomiebehörde beaufsichtigt und von arabischen und muslimischen Ländern unterstützt werde. Zudem hat sich die Hamas bisher geweigert, die israelische Forderung nach einer Niederlegung der Waffen zu erörtern. Eine Rolle für Blair oder eine ausländische Regierung im Gazastreifen lehnt die Hamas ab.

(bearbeitet von Kerstin Dörr.; Redigiert von Hans Busemann; Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte)

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