– von Hakan Ersen und Alexander Hübner
Frankfurt (Reuters) – Der weltgrößte Prothesenhersteller Ottobock hat ein erfolgreiches Debüt an der Frankfurter Börse hingelegt.
Der erste Kurs lag am Donnerstag bei 72 Euro, neun Prozent über dem Ausgabepreis für die Aktien, die mit 66 Euro bereits am oberen Ende der Preisspanne ausgegeben worden waren. Später bröckelten die Papiere des Familienunternehmens aus dem niedersächsischen Duderstadt auf 69 Euro ab. Vorstandschef Oliver Jakobi und Großaktionär Hans-Georg Näder läuteten auf dem Parkett die große Börsenglocke. “Das ist ein toller Startpunkt für uns”, sagte Finanzchef Arne Kreitz der Nachrichtenagentur Reuters. “Aber die langfristige Entwicklung ist das Entscheidende.” Mittelfristig traue sich Ottobock Wachstumsraten von sieben bis neun Prozent zu.
“Das Unternehmen ist in jeder Hinsicht gewachsen”, sagte Vorstandschef Jakobi auf dem Börsenparkett, auf dem Ottobock eine überlebensgroße Oberschenkel-Prothese ausgestellt hatte. Verwaltungsratschef Näder, ein Enkel des Namensgebers Otto Bock, las anstelle einer Ansprache das Gedicht einer Anwenderin vor, die dank einer Ottobock-Orthese wieder laufen kann. Auch zwei erfolgreiche deutsche Prothesen-Sportler waren auf dem Parkett dabei: Johannes Floors hatte kürzlich zum fünften Mal in Folge die 400 Meter bei den Leichtathletik-Para-Weltmeisterschaften in Indien gewonnen, Leon Schäfer holte im Weitsprung Silber.
Das Geschäft werde weniger von Kriegen und Naturkatastrophen getrieben als von Innovationen, sagte Finanzvorstand Kreitz. In Russland erwirtschaftete Ottobock zuletzt mehr als acht Prozent des Umsatzes, unterliegt dort aber keinen Sanktionen. “Wir stellen humanitäre Güter her. Das haben die Investoren erkannt.” Außerhalb der Orthopädietechnik sieht Ottobock Chancen in der Industrie: Dort sollen “Exoskelette” Menschen beim Heben schwerer Lasten oder beim Arbeiten über Kopf unterstützen. Zum Verkauf steht das margenschwache Geschäft mit Rollstühlen, wie Kreitz bestätigte. Die Branche sei stark in Bewegung. “Das ist der richtige Zeitpunkt, um nach einem strategischen Partner zu schauen.”
NÄDERS WOLLEN WEITERE ANTEILE VERKAUFEN
Ottobock ist die erste Neuemission dieses Jahres im streng regulierten Prime Standard der Deutschen Börse, wo das Geschäft mit Börsengängen bisher zäh lief. Mit dem Medizintechnik-Spezialisten Brainlab und dem Auto-Ersatzteilhändler Autodoc hatten zwei Kandidaten einen Rückzieher gemacht, der hessische Pharmakonzern Stada und die Oldenburgische Landesbank (OLB), die ebenfalls Vorbereitungen für einen Börsengang getroffen hatten, wurden stattdessen verkauft.
Zum Ausgabepreis wurde Ottobock mit 4,22 Milliarden Euro bewertet, 808 Millionen Euro wurden mit der Emission erlöst, die zum größten Teil an die Eigentümerfamilie gehen. 19 Prozent der Aktien sind künftig im Streubesitz. Der Rest gehört Näder und seinen beiden Töchtern, die sich Insidern zufolge von insgesamt 25 bis 30 Prozent der Anteile trennen wollen, um einen milliardenschweren, teuren Kredit zu tilgen, den sie 2024 für den Rückkauf von 20 Prozent am Unternehmen vom Finanzinvestor EQT aufgenommen hatten. Zweitgrößter Aktionär ist nach dem Börsengang der Hamburger Milliardär Klaus-Michael Kühne, der Aktien für 125 Millionen Euro zeichnen wollte und damit auf knapp drei Prozent kommt.
(Bericht von Hakan Ersen und Alexander Hübner, redigiert von Sabine Wollrab. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)