(Weitgehend neu)
– von Nidal al-Mughrabi und Maayan Lubell
Kairo/Jerusalem (Reuters) – Trotz der vereinbarten Waffenruhe festigt die islamistische Hamas ihre Macht im Gazastreifen und widersetzt sich damit der israelischen Forderung nach einer Entwaffnung.
Einwohner berichteten am Dienstag von einer zunehmenden Präsenz von Hamas-Kämpfern, die sich unter anderem entlang von Routen für Hilfslieferungen postiert hätten. Das israelische Militär teilte mit, es habe das Feuer auf Verdächtige eröffnet, die sich seinen Truppen im Norden des Küstenstreifens genähert hätten. Die Personen hätten eine im Rahmen des Abkommens festgelegte Grenze überquert und damit gegen die Vereinbarung verstoßen. Nach palästinensischen Angaben wurden sechs Menschen getötet.
Als ein Zeichen ihrer Rückkehr an die Macht richteten Hamas-Kämpfer Männer hin, denen sie Kollaboration mit israelischen Streitkräften vorwarfen. Ein am Montag verbreitetes Video zeigte, wie Hamas-Kämpfer in Gaza-Stadt sieben Männer auf die Knie zwangen und von hinten erschossen. Eine Hamas-Quelle bestätigte die Echtheit des Videos. Erst am Montag hatte die Hamas die letzten 20 noch lebenden israelischen Geiseln aus dem Gazastreifen übergeben und Israel im Gegenzug palästinensische Häftlinge entlassen. US-Präsident Donald Trump hatte daraufhin das Ende des zwei Jahre andauernden Krieges verkündet.
Obwohl sich die israelischen Truppen im Rahmen des Waffenstillstands aus den städtischen Gebieten des palästinensischen Küstengebiets zurückgezogen haben, kommt es weiterhin zu Gewalt. Nach Angaben der von der Hamas kontrollierten Gesundheitsbehörde in Gaza wurden fünf Menschen durch Drohnenfeuer getötet, als sie ihre Häuser östlich von Gaza-Stadt überprüfen wollten. Ein weiterer Mensch sei bei einem Luftangriff in der Nähe von Chan Junis getötet worden. Die Hamas warf Israel eine Verletzung der Waffenruhe vor.
“HISTORISCHE MORGENRÖTE”
Die Machtdemonstration der Hamas und die anhaltende Gewalt verdeutlichen die enormen Hürden für den von US-Präsident Donald Trump vermittelten Friedensplan. Während Trump am Montag vor dem israelischen Parlament von einer “historischen Morgenröte eines neuen Nahen Ostens” sprach, sind die schwierigsten Punkte des Plans noch nicht ausgehandelt. Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu hat wiederholt erklärt, der Krieg könne erst enden, wenn die Hamas ihre Waffen niedergelegt habe. Trump sagte hingegen am Montag, die Hamas habe vorübergehend grünes Licht erhalten, um für Ordnung zu sorgen.
Die Waffenruhe beendete einen zwei Jahre andauernden Krieg, der durch den Hamas-Angriff vom 7. Oktober 2023 ausgelöst worden war. Bei dem Hamas-Massaker wurden israelischen Angaben zufolge rund 1200 Menschen getötet und 251 Geiseln genommen. Die israelische Militäroffensive im Gazastreifen kostete nach Angaben der Gesundheitsbehörde fast 68.000 Menschen das Leben. Die sterblichen Überreste von 23 Geiseln befinden sich nach wie vor im Gazastreifen.
Das Internationale Komitee vom Roten Kreuz IKRK bezeichnete die Bergung der sterblichen Überreste der Geiseln als “massive Herausforderung”. Dies sei eine noch größere Aufgabe als die Freilassung der Lebenden, sagte IKRK-Sprecher Christian Cardon in Genf. Die Suche in den Trümmern könne Tage oder Wochen dauern, einige Leichen würden möglicherweise nie gefunden.
“FUSSBALL BRINGT HOFFNUNG”
Die Vereinten Nationen teilten mit, für den auf 70 Milliarden Dollar geschätzten Wiederaufbau des Gazastreifens gebe es erste positive Signale von Geldgebern. Es gebe “sehr gute Anzeichen” von den USA sowie von arabischen und europäischen Staaten, sagte Jaco Cilliers vom UN-Entwicklungsprogramm UNDP in Genf. Der zweijährige Krieg habe mindestens 55 Millionen Tonnen Schutt hinterlassen. Der Wiederaufbau des palästinensischen Küstenstreifens könne allerdings Jahrzehnte dauern.
Am Wiederaufbau beteiligen will sich auch der Fußball-Weltverband Fifa. Man werde sich dabei auf die sportliche Infrastruktur konzentrieren, sagte Fifa-Präsident Gianni Infantino. Der Verband werde helfen, zerstörte Anlagen wieder aufzubauen und Möglichkeiten für Kinder zu schaffen. “Fußball bringt Hoffnung”, sagte Infantino.
(Mitarbeit Emma Farge in Genf; Bearbeitet von Alexander Ratz; Redigiert von; Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com)