Wien (Reuters) – Ein Bündnis europäischer Industriekonzerne – darunter BASF, Evonik, ThyssenKrupp und Voestalpine – warnt angesichts der EU-Klimapolitik vor einer Verlagerung energieintensiver Produktion in Länder außerhalb der Europäischen Union (EU).
In einem der Nachrichtenagentur Reuters vorliegenden Schreiben appellieren die Konzerne an EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und weitere Entscheidungsträger den EU-Emissionshandel (ETS) grundlegend zu reformieren. Der aktuelle Reduktionspfad stelle für viele Unternehmen “eine praktisch nicht lösbare Herausforderung” dar, heißt es in dem Brief.
Der ETS sieht vor, die kostenlose Zuteilung von CO2-Zertifikaten bis 2034 schrittweise abzuschaffen und bis 2039 Nullemissionen zu erreichen. Die daraus entstehenden CO2-Kosten könnten sich laut der aus knapp 80 Unternehmen bestehenden Allianz auf mehrere Milliarden Euro jährlich belaufen und in vielen Fällen den operativen Gewinn der Firmen übersteigen. Dies gefährde nicht nur einzelne Investitionsprojekte, sondern die Wettbewerbsfähigkeit der industriellen Basis Europas insgesamt.
Die Konzerne aus den energieintensiven Branchen wie Chemie oder Stahl fordern daher, die kostenlose Zuteilung von Emissionszertifikaten über die geltenden Fristen hinaus zu verlängern und die Abschmelzung der Freizuteilung durch den CO2-Grenzausgleichsmechanismus (CBAM) auszusetzen. Zudem müsse die Strompreiskompensation ausgeweitet werden.
Das Schreiben, das auch an EU-Ratspräsident Antonio Costa sowie Mitglieder der deutschen und österreichischen Bundesregierung ging, soll vor dem Treffen des Europäischen Rates am 23. Oktober den politischen Druck erhöhen.
Der österreichische Stahl- und Verarbeitungskonzern Voestalpine rechnet etwa damit, dass er bis einschließlich 2030 zusätzlich ein bis zwei Milliarden Euro für den steigenden Zertifikatebedarf aufwenden müsste. Voestalpine-Chef Herbert Eibensteiner bezeichnete den Brief daher als “Weckruf an die europäische Politik”. Mit Blick auf die kostenlosen Zertifikate sagte er: “Wir dürfen einen etablierten und funktionierenden Schutzschirm nicht verlieren.” Ohne diese Maßnahmen drohe die weitere Verlagerung energieintensiver Produktionsschritte mit negativen Folgen für Beschäftigung, Wertschöpfung und Klimaschutz.
Die Unternehmen betonen, sie stünden zu einem ambitionierten Klimaschutz und investierten bereits erheblich in die Transformation. Allerdings seien die dafür notwendigen Rahmenbedingungen bis Mitte der 2030er Jahre nicht gegeben. Es fehle an ausreichend verfügbarem CO2-armem Strom und Wasserstoff zu wettbewerbsfähigen Preisen sowie an der nötigen Infrastruktur. “Die Transformation darf nicht zur Deindustrialisierung führen – sie muss wirtschaftlich tragfähig und technologisch realistisch gestaltet werden”, heißt es in dem Schreiben.
(Bericht von Alexandra Schwarz-Goerlich, redigiert von Ralf Banser. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)