Berlin (Reuters) – Die neue Bahn-Chefin Evelyn Palla will den krisengeplagten Konzern vom Kopf auf die Füße stellen.
“Wir brauchen einen Neustart”, sagte sie am Donnerstag in Berlin zu Journalisten. Es müsse sich viel ändern. 2026 werde das Jahr des Umbaus. Anfang Dezember will die gebürtige Südtirolerin dazu ein detailliertes Konzept vorstellen, das auch einen größeren Stellenabbau beinhalten dürfte.
Palla sagte, der Konzern solle nicht mehr so stark zentral gesteuert werden. Stattdessen solle es vor Ort und damit näher am Kunden mehr Verantwortung und Entscheidungen geben in den drei Geschäftsfeldern Fernverkehr, Regionalverkehr und der Frachtsparte. Einen ähnlichen Ansatz hatte die 52-Jährige in ihrer bisherigen Funktion als Chefin der DB Regio verfolgt. Der Regionalverkehr hatte unter Pallas Führung zuletzt operativ schwarze Zahlen geschrieben. Außerdem sind dort die Pünktlichkeitswerte viel höher als im Fernverkehr.
Ab Januar werde es an die Umsetzung gehen, sagte Palla. “Das geht eben nicht von heute auf morgen.” Der Konzern sei ein großer Tanker, trotzdem müsse Tempo gemacht werden. In der Konzernleitung werden in signifikanter Größenordnung Stellen wegfallen, wie Palla ergänzte. “Das geht nicht anders.” Zahlen wollte sie noch nicht nennen. Es würden aber viele Funktionen auf Konzernebene entfallen.
Palla, die seit Anfang Oktober auf dem neuen Posten ist, krempelt bereits den Vorstand der Bahn kräftig um. Insidern zufolge gibt es eine Vorentscheidung zur Ablösung der Cargo-Chefin Sigrid Nikutta. Den Angaben zufolge wird der Aufsichtsrat bei seiner Sitzung am 30. Oktober auch zwei Positionen im Führungsgremium nach Pallas Vorstellungen besetzen. So soll die frühere Hornbach-Managerin Karin Dohm Finanzvorständin im Bahn-Konzern werden. Außerdem soll der bisherige Regio-Manager Harmen van Zijderveld den Regionalverkehr im Vorstand vertreten.
Es wird damit gerechnet, dass die Verbindungen zwischen der gemeinwohlorientierten Infrastruktursparte DB InfraGO und dem Rest des Konzerns stärker getrennt werden. Details dazu sind aber noch offen. Private Wettbewerber bemängeln seit langem eine zu enge Verflechtung. So wird beispielsweise kritisiert, dass der Infrastruktur-Vorstand im Bahn-Konzern auch dem Aufsichtsrat der DB InfraGO vorsteht. Die Wettbewerber der Bahn sehen sich dadurch strukturell benachteiligt.
SORGENKIND CARGO
Besonders angespannt ist die Lage derzeit bei DB Cargo. Nikuttas Sanierungskonzept ist einem externen Gutachten zufolge nicht ausreichend, wodurch die Managerin unter Druck geraten ist. Die Frachtsparte hatte zuletzt mitgeteilt, rund 6000 Güterwagen an den Vermietungsspezialisten GATX Rail Europe zu verkaufen. DB Cargo muss auf Druck der EU-Kommission, die übermäßige staatliche Subventionen verhindern soll, umgebaut werden. In der neuen Bahn-Strategie von Verkehrsminister Patrick Schnieder (CDU) heißt es, Cargo müsse ab 2026 profitabel sein. “Die Sanierungsmaßnahmen der DB Cargo AG sind fortzusetzen und gegebenenfalls zu intensivieren.”
Die Frachtsparte der Bahn transportierte im ersten Halbjahr 2025 zehn Prozent weniger Güter, der Umsatz sank um neun Prozent auf 2,5 Milliarden Euro. Der operative Verlust verbesserte sich auf 96 Millionen Euro. Im Güterbereich machen private Konkurrenten der Bahn bereits rund 60 Prozent des Geschäfts in Deutschland.
In der Bahn wird das Gutachten des Beratungsunternehmens Oliver Wyman derzeit ausgewertet. Es soll in ein neues Konzept einfließen. Es gilt als fraglich, ob Cargo seine Ziele für 2026 erreichen kann. Der Fokus dürfte zunächst auf der Suche nach einem neuen Management liegen. Neben der Chefposition wird Insidern zufolge auch ein Restrukturierungsspezialist für den Vorstand der Sparte gesucht. Offen ist, was aus dem sogenannten Einzelwagenverkehr wird, der beispielsweise für die Stahlbranche sehr wichtig ist, aber hohe Fixkosten hat, die weiterhin zu Verlusten führen. In dem Bereich werden einzelne Güterwaggons direkt bei Firmenkunden abgeholt und auf Rangierbahnhöfen zu langen Zügen zusammengestellt. In der Bahn heißt es, ohne staatliche Förderung werde es keinen Einzelwagenverkehr mehr geben.
(Bericht von Christian Krämer, redigiert von Kerstin Dörr. Bei Rückfragen wenden Sie sich an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)