– von Christian Krämer
Berlin (Reuters) – Die deutsche Wirtschaft spürt anders als von Bundeskanzler Friedrich Merz versprochen noch keine Trendwende nach zwei Jahren Rezession.
“Während der Sommermonate hat sich die Lage nicht verbessert, im Gegenteil: Die Stimmung hat sich erneut leicht eingetrübt”, sagte die Hauptgeschäftsführerin der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK), Helena Melnikov, am Donnerstag in Berlin. “Die Betriebe glauben nur, was sie sehen.” Die seit Mai amtierende Regierung aus Union und SPD müsse mit Reformen nachlegen. “Da muss jetzt mehr kommen.” Der Verband sagte für dieses Jahr nur eine Stagnation voraus, 2026 dann trotz hoher Investitionen des Staates nur ein mageres Wachstum von 0,7 Prozent. Die DIHK ist damit pessimistischer als viele andere Experten. Die meisten Ökonomen gehen derzeit von einem Mini-Wachstum 2025 aus und Werten von teils deutlich über einem Prozent im nächsten Jahr.
CDU-Chef Merz hatte versprochen, dass die Wirtschaft ab Sommer bereits eine Verbesserung spüren sollte. Er hatte sich dabei unter anderem auf beschlossene Maßnahmen zur Ausweitung der Abschreibungsmöglichkeiten, zu Steuersenkungen als auch zur Senkung der Energiepreise gestützt. Melnikov sagte, der DIHK-Stimmungsindex sei zuletzt aber um einen Punkt auf 93,8 Zähler gefallen und bleibe damit klar im pessimistischen Bereich. Das Barometer misst die aktuelle Wirtschaftslage als auch die Geschäftserwartung der befragten Unternehmen. Die Geschäftslage ist derzeit so schlecht wie seit der Corona-Pandemie nicht mehr.
Für die Umfrage hat die DIHK Antworten von rund 23.000 Unternehmen aus allen Branchen und Regionen ausgewertet. Wegen der guten Datenbasis gilt die Erhebung als besonders aussagekräftig. Melnikov sagte, die durchaus richtigen Maßnahmen der Regierung kämen noch nicht bei den Unternehmen an. Nach drei Jahren ohne Wachstum brauche es spürbare Entlastungen und konkrete Verbesserungen im Alltag der Betriebe.
Laut DIHK haben Unternehmen in Deutschland mit der neuen Regierung nicht mehr Planungssicherheit. Melnikov verwies auf die Verwendung des 500 Milliarden Euro schweren Sondertopfes zur Modernisierung der Infrastruktur. “Da gibt es einfach noch zu viele Fragezeichen.” Unternehmen zögerten deswegen mit Investitionen in ihre Zukunft, also etwa neue Maschinen und sonstige Anlagen. Es gehe kaum um Erweiterungen oder Innovationen. Wenn investiert werde, dann eher in den Ersatz bestehender Strukturen – und nur so viel wie gerade nötig sei.
KAUM INVESTITIONEN – DAFÜR WEITERE STELLENKÜRZUNGEN
Nur 15 Prozent der Firmen erwarten eine Verbesserung der wirtschaftlichen Lage in den kommenden zwölf Monaten, 27 Prozent rechnen mit einer Verschlechterung. 22 Prozent planen höhere Investitionen, 31 Prozent wollen sie kürzen. “Fünf Jahre nach Beginn der Pandemie liegen die Unternehmensinvestitionen noch immer rund zehn Prozent unter dem Vorkrisenniveau”, so Melnikov. Auch auf dem Arbeitsmarkt dürfte es Bremsspuren geben. Nur elf Prozent der Unternehmen wollen Personal aufbauen, 24 Prozent dagegen Stellen streichen. In der Industrie sei die Geschäftslage besonders kritisch.
56 Prozent der Betriebe werten ihre Arbeitskosten als eines der größten Geschäftsrisiken – ein neuer Höchstwert. “Steigende Sozialabgaben und die jüngste Erhöhung des Mindestlohns wirken sich spürbar aus, gerade in personalintensiven Branchen wie dem Gastgewerbe”, sagte Melnikov. Die Regierung müsse die steigenden Sozialabgaben in den Griff bekommen. Zugleich forderte sie einen spürbaren Bürokratieabbau und die versprochene Stromsteuersenkung für alle Unternehmen, nicht nur die Industrie.
Bei den Konsumausgaben des Staates rechnet die DIHK 2025 und 2026 jeweils mit einem Plus von 2,0 Prozent. Bei den privaten Konsumausgaben dürften es dagegen nur 1,0 und 0,5 Prozent sein. Beim Export geht der Verband angesichts höherer Zölle der USA in diesem Jahr von einem Minus von 1,0 Prozent aus, nachdem es 2024 einen Rückgang von 2,1 Prozent gab. 2026 sollte es hier dann zu einem Mini-Plus von 0,5 Prozent reichen.
Die EU hat, um noch höhere US-Zölle zu vermeiden, sich auf einen Deal mit US-Präsident Donald Trump eingelassen, der der EU spürbare Nachteile im Handel einbrockt. DIHK-Konjunkturexperte Jupp Zenzen sagte, dies werde vor allem die Industrie zu spüren bekommen. Das deutsche Exportvolumen in die USA sei bisher um etwa eine Milliarde Euro pro Monat niedriger als im Vorjahr. Die Belastung durch zusätzliche Zölle dürfte die Wirtschaftsleistung im kommenden Jahr um etwa 0,25 Prozentpunkte drücken.
(Redigiert von Christian Götz. Bei Rückfragen wenden Sie sich an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)










