– von Markus Wacket
Berlin (Reuters) – Verteidigungsminister Boris Pistorius hat bei der Bundeswehr zahlreiche Reformen angekündigt und eine neue Mentalität mit mehr Mut zu Entscheidungen verlangt.
“Wenn jeder nur ein bisschen zuständig ist, ist am Ende niemand verantwortlich”, warnte der SPD-Politiker am Freitag auf der Bundeswehrtagung in Berlin. Führung bedeute, Entscheidungen zu treffen, auch wenn sie unbequem seien. Auch Bundeskanzler Friedrich Merz forderte in einer Videobotschaft Reformen und mehr Tempo. “Den Bedrohungen von heute können wir nicht mit den Verwaltungsvorschriften von gestern begegnen.” Generalinspekteur Carsten Breuer warnte, Russland dürfe niemals annehmen, einen Krieg mit der Nato gewinnen zu können. Dies müsse bis 2029 erreicht werden.
Pistorius machte deutlich, dass er den Ukraine-Krieg nicht für das Ende der russischen Expansionsabsichten halte: “Russland rüstet sich für einen weiteren Krieg.” Dafür müsse die Bundeswehr im Inneren beweglicher werden. Der Minister kündigte eine Reihe tiefgreifender Reformen an, die teils in Gesetzesform gegossen werden sollen. Im Wesentlichen soll dies bis Ostern 2026 abgeschlossen sein. Kern ist eine Neuaufstellung bei Personal, Material und Infrastruktur, um die Truppe angesichts der russischen Bedrohung schnell zu vergrößern und kriegstüchtig zu machen.
ZAHLREICHE AUFTRÄGE FÜR TRUPPE UND VERWALTUNG
Um die Reformen umzusetzen, erteilte Pistorius konkrete Aufträge mit klaren Fristen:
* Personal und Reserve: Bis Ostern 2026 soll einAufwuchsplan den Weg für die aktive Truppe und die Reserveweisen. “Ohne einsatzfähige Reserve ist Deutschland nichtverteidigungsfähig”, sagte Pistorius. Die Reserve sei “keinAnhängsel der Bundeswehr, keine Trachtengruppe, sondern sie istTeil der Streitkräfte”. Zudem will der Minister mit einempersönlichen Brief an alle Zeit- und Berufssoldaten für eineVerlängerung ihrer Dienstzeit werben. * Beschaffungswesen: Bis Mai 2026 soll ein Konzept zurReorganisation des Beschaffungsamts in Koblenz vorliegen. Zielist es, die rasant steigenden Auftragszahlen zu bewältigen,Innovationen zu fördern und enger mit der Industrie zukooperieren. Dafür soll das Amt weitere Zweigstellen bekommen. * Strategie: Im Frühjahr soll die erste Militärstrategieder Bundeswehr vorgestellt werden. Auf dieser Grundlage soll bisOstern 2026 das Fähigkeitsprofil überarbeitet werden. Zudemsollen bis dahin die Grundlagen für weitere Innovationszentren,etwa für maritime Technologie in Norddeutschland, gelegt werden.
Ziel der Personalreformen ist es, die Bundeswehr von derzeit etwa 182.000 Soldaten bis Mitte der 30er Jahre auf rund 460.000 aufzustocken. Dies schließt aktive Soldaten und die Reserve ein. Ein neues Wehrdienstgesetz, das auf eine verpflichtende Erfassung und Musterung setzt, ist dabei ein zentraler Baustein. Zu dem im Parlament umstrittenen Gesetz zeigte sich Pistorius optimistisch: “Ich bin zuversichtlich, dass wir in den nächsten Tagen eine Einigung erzielen.”
Pistorius warb zudem für ein gesamtstaatliches Verständnis von Verteidigung. Staat, Wirtschaft und Gesellschaft trügen gemeinsam Verantwortung. Dies gelinge jedoch nur, wenn Zuständigkeiten geklärt und Prozesse geübt seien. “Was wir nicht üben, können wir nicht, wenn es drauf ankommt”, mahnte der Minister. “Meine Absicht ist, dass Deutschland zum Ende dieser Dekade eine einsatzbereite, durchhaltefähige und digital vernetzte Bundeswehr stellt, die den Nato-Zielen entspricht, den Operationsplan Deutschland erfüllt und an der Ostflanke sichtbar und wirksam abschreckt.” Dies bedeute erstens die Vollausstattung der Verbände, hohe Munitionsvorräte und eine starke Luftverteidigung. Zweitens müsse der neue Wehrdienst eine Brücke für die Personalgewinnung und eine einsatzfähige Reserve sein. Drittens sei die Gesamtverteidigung eine Teamarbeit mit Ländern, Kommunen, Industrie und Gesellschaft.
(Redigiert von Christian Götz. Bei Rückfragen wenden Sie sich an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)











