Wehrdienstgesetz in der Kritik: “Junge Menschen nicht einbezogen”

Berlin (Reuters) – Jugend-Vertreter haben im Bundestag ihre fehlende Beteiligung an der Wehrdienst-Debatte scharf kritisiert.

“Man braucht junge Menschen, man braucht sie für den Dienst an ihrem Land, man braucht sie für die Landesverteidigung”, sagte Bundesschülersprecher Quentin Gärtner bei der öffentlichen Anhörung des Verteidigungsausschusses zum geplanten Wehrdienstgesetz am Montag. “Trotzdem möchte man sie nicht einbeziehen. Das ist ein Fehler.” Gärtner warf der Politik vor, mit keinem Jugendvertreter im Vorfeld gesprochen zu haben, bis das Gesetz im Kabinett beschlossen wurde. Junge Menschen seien “keine seltsamen Wesen”, die man nicht verstehen könne. Daniela Broda vom Deutschen Bundesjugendring fragte: “Warum nur die Jungen?” Auch Menschen zwischen 20 und 60 Jahren könnten ihre Bereitschaft zum Wehrdienst erklären.

Auch in der Koalition wird heftig um das neue Wehrdienstgesetz gestritten, das vom Kabinett bereits beschlossen wurde. Im Kern steht die Frage des Vorgehens, wenn sich nicht die vom Verteidigungsministerium erhoffte jährliche Zahl von Freiwilligen findet. Dabei ist auch ein Losverfahren im Gespräch. In einem ersten Schritt aber sollen alle 18-Jährigen mit einem Fragebogen angeschrieben werden. Männer müssen ihn beantworten, Frauen können. Verteidigungsminister Boris Pistorius erwartet eine Einigung auf das Gesetz in dieser Woche und einen Beschluss im Bundestag vor Jahresende.

EXPERTEN HALTEN FREIWILLIGKEIT NICHT FÜR AUSREICHEND

Der Miltärhistoriker Sönke Neitzel bezweifelte, dass Freiwilligkeit ausreiche, um bis Mitte der 2030er Jahre die Zielgröße von 280.000 aktiven Soldaten und 200.000 Reservisten zu erreichen. Derzeit sind es rund 182.000 Aktive und 100.000 Reservisten. Neitzel kritisierte den Entwurf: “Er ist meines Erachtens ein weiteres Dokument des Zögerns und Zauderns.” Zwar sei die vorgesehene generelle Musterung ab Sommer 2027 ein Schritt in die richtige Richtung. Dennoch sei das Vorhaben angesichts der russischen Bedrohung ein weiterer Beleg der Halbherzigkeit seit dem russischen Einmarsch in die Ukraine.

Der Deutsche BundeswehrVerband als Soldatenvertretung nannte das geplante Gesetz eine deutliche Verbesserung. Der Vorsitzende Andre Wüstner warnte jedoch ebenfalls, dass es allein das Personalproblem nicht löse. Der Verband forderte, die Möglichkeit zur Aktivierung einer Bedarfswehrpflicht bereits im vorliegenden Gesetz zu verankern, anstatt dies erst später über eine Rechtsverordnung zu regeln. Bei den benötigten Bewerberzahlen von über 119.000 pro Jahr ab 2028 und einem tatsächlichen Interessentenpool von nur rund 100.000 tauglichen jungen Menschen liege das Ziel “weit jenseits realistischer Erwartungen”.

(Bericht von Markus Wacket; redigiert von Kerstin Dörr. Bei Rückfragen wenden Sie sich an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)

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