Deutsches Gericht verbietet ChatGPT Gratis-Nutzung von Liedtexten

– von Jörn Poltz

München (Reuters) – In einem europaweit beachteten Urteil hat ein deutsches Gericht die kostenlose Nutzung urheberrechtlich geschützter Texte durch Anwendungen Künstlicher Intelligenz (KI) verboten.

In einem Prozess des Musikrechteverwerters Gema gegen den ChatGPT-Entwickler OpenAI entschied das Landgericht München am Dienstag, dass das auf KI spezialisierte US-Softwareunternehmen die Texte nicht ohne Lizenz nutzen darf. OpenAI werde wegen dieser Nutzungen zu Schadenersatz verurteilt, sagte die Vorsitzende Richterin Elke Schwager. Die Gema dürfe zudem verlangen, dass OpenAI seine bisherige Praxis unterlasse und der Gema Auskunft über ihre damit erzielten Erlöse gebe. Daraus könnte sich die Schadenersatzhöhe ergeben. Das Urteil ist nicht rechtskräftig.

Obwohl es in diesem Prozess nur um die Rechtslage in Deutschland ging, sprach die Gema von einem europaweit wegweisenden Urteil. “Es ist ein Meilenstein auf dem Weg zu einer fairen Vergütung für Urheberinnen und Urheber in ganz Europa”, erklärte Gema-Chefjustiziar Kai Welp. “Das Urheberrecht ist in Europa harmonisiert. Deswegen gehen wir davon aus, dass das Urteil eine Signalwirkung für Europa hat.” Gema-Chef Tobias Holzmüller sprach von einem Präzedenzfall. “Das Internet ist kein Selbstbedienungsladen und menschliche Kreativleistungen sind keine Gratisvorlage”, erklärte Holzmüller. Die Gema will nun in Lizenzverhandlungen mit OpenAI einsteigen.

OpenAI äußerte sich enttäuscht über die Gerichtsentscheidung und hielt sich offen, in Berufung zu gehen. “Wir sind mit dem Urteil nicht einverstanden und prüfen weitere Schritte”, erklärte das Unternehmen. OpenAI verwies darauf, dass sich die Gerichtsentscheidung lediglich auf eine konkrete Auswahl an Liedtexten beziehe. Auf die Nutzer von ChatGPT in Deutschland habe das Urteil keine Auswirkungen. OpenAI erklärte weiter, man respektiere Urheberrechte und führe weltweit mit Organisationen Gespräche über die Nutzung der von OpenAI angebotenen Technologie.

Das US-Softwarehaus aus San Francisco und andere Entwickler von KI-Anwendungen sehen sich weltweit dem Vorwurf ausgesetzt, sie würden unberechtigt das geistige Eigentum anderer nutzen, um ihre Algorithmen zu trainieren und Nutzerfragen zu beantworten.

“HOCHINTELLIGENTE BEKLAGTE”

Das Münchner Gericht folgte überwiegend der Argumentation der Gema, bei der automatischen Nutzung von Liedtexten durch ChatGPT handle es sich um eine unerlaubte Vervielfältigung und Wiedergabe. Die Auswertung der Texte durch so genannte Sprachmodelle sei eine urheberrechtlich geschützte Vervielfältigung und kein kostenlos erlaubtes “Text- und Data-Mining”. Auch die Anzeige der Texte als Ergebnis von Nutzeranfragen sei eine Vervielfältigung, für die OpenAI und nicht der jeweilige ChatGPT-Nutzer verantwortlich sei.

Gesetzgebung und Urteil seien nicht innovationsfeindlich, sondern schützten nur die Rechte der Urheber, erklärte Richterin Schwager und kritisierte das Vorgehen von OpenAI. “Wir haben hochintelligente Beklagte, die es geschafft haben, modernste Technologien zu entwickeln”, sagte sie. Sie sei deswegen erstaunt, dass OpenAI dabei die klare Rechtslage nicht beachtet habe. Wer etwas baue und dafür fremde Teile nutze, müsse diese bezahlen. “Urheberrecht ist geschütztes geistiges Eigentum. Und damit ist klar, dass das nicht funktioniert.”

Die Gema hatte OpenAI verklagt, weil Liedtexte zum Training des Chatbots ChatGPT verwendet worden waren und von diesem auch an die Nutzer ausgegeben wurden. Als Beispiele dienten Texte wie “Über den Wolken” von Reinhard Mey oder “In der Weihnachtsbäckerei” von Rolf Zuckowski. OpenAI hatte dagegen erklärt, diese Ansicht zeuge von einem Missverständnis, wie ChatGPT funktioniere. Im Prozessverlauf hatte sich das Gericht bereits aufgeschlossen für die Argumentation der Gema gezeigt.

DJV: “ETAPPENSIEG DES URHEBERRECHTS”

Gegen eine unbezahlte Nutzung von Texten durch KI-Anwendungen wehren sich auch viele Medienunternehmen. Der Deutsche Journalisten-Verband (DJV), der an diesem Verfahren nicht beteiligt war, sprach von einem “Etappensieg des Urheberrechts”. “Das Training von KI-Modellen ist Diebstahl geistigen Eigentums”, erklärte der DJV-Vorsitzende Mika Beuster. Journalistinnen und Journalisten, die gegen KI-Entwickler vorgehen wollen, hätten nun eine bessere Rechtsposition.

(Bericht von Jörn Poltz, Mitarbeit von Hakan Ersen und Friederike Heine. Redigiert von Olaf Brenner. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)

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