Streit nach Abstimmung im Europaparlament – SPD kritisiert Votum mit Rechten

– von Andreas Rinke

Berlin/Brüssel (Reuters) – Während die schwarz-rote Koalition in Berlin mit neuen Beschlüssen Harmonie demonstrierte, droht im Europaparlament (EP) die Koalition der Mitte-Parteien zu zerbrechen.

Das EP stimmte am Donnerstag mit einer Mehrheit von Christdemokraten und Rechtsaußen-Parteien für eine Lockerung der EU-Lieferkettenrichtlinie. “Ich halte das schon für ein fatales Zeichen, dass Manfred Weber als EVP-Chef bewusst den Kompromiss in der demokratischen Mitte nicht gesucht hat”, kritisierte SPD-Co-Chefin Bärbel Bas am Donnerstagabend in Berlin.

Auch Kanzler und CDU-Chef Friedrich Merz reagierte reserviert auf die Abstimmung in Straßburg. Er erwarte, dass es zumindest bei der abschließenden Abstimmung im EP nach den Verhandlungen mit den Mitgliedstaaten wieder eine gemeinsame Mehrheit der Mitte-Parteien von EVP, SPE und Liberalen gebe.

INDUSTRIE ZUFRIEDEN

Die Europa-Abgeordneten votierten nach monatelangem Druck von Unternehmen und einigen Ländern für einen Entwurf, der zahlreiche Firmen von den Berichtspflichten ausnimmt. Die ursprünglich im vergangenen Jahr verabschiedete Richtlinie verpflichtet Unternehmen, Menschenrechts- und Umweltprobleme bei Zuliefer-Firmen zu beheben. Bei Verstößen drohen ihnen Geldstrafen von bis zu fünf Prozent des weltweiten Umsatzes. Das Gesetz ist einer der politisch umstrittensten Teile der grünen Agenda der EU.

Nach dem EP-Beschluss sollen nur noch Firmen mit mindestens 5000 Beschäftigten und einem Umsatz von 1,5 Milliarden Euro der Richtlinie zur unternehmerischen Nachhaltigkeit unterliegen. Bislang gilt diese für Unternehmen ab 1000 Mitarbeitern und einem Umsatz von mehr als 450 Millionen Euro. Zudem wurde die Verpflichtung gestrichen, Pläne zur Einhaltung von Klimaschutzzusagen vorzulegen. Auch in Deutschland wurde das Lieferkettengesetz entschlackt.

POLITISCHER SPRENGSTOFF AUCH FÜR KOALITION IN BERLIN

Politisch heikel war die Abstimmung aber für die schwarz-rote Koalition in Berlin. Denn die SPD hatte bei den Koalitionsverhandlungen darauf gepocht, dass die Union keine Abstimmungen anstrebt, die nur eine Mehrheit mit Stimmen von Rechtsaußen-Parteien bekommen können. Die CDU schließt in Deutschland eine Zusammenarbeit mit der AfD aus. Nun werfen Grüne, aber auch SPD dem Chef der konservativen Parteienfamilien EVP, Manfred Weber (CSU), aber vor, genau diesen Weg im Europäischen Parlament gegangen zu sein.

Kanzler Merz reagierte sehr zurückhaltend auf das Vorgehen der EVP regiert und und sagte nur, dass er das Ergebnis “zur Kenntnis” nehme. Am Abend betonte der CDU-Vorsitzende, dass nun EP, EU-Rat und EU-Kommission in den sogenannten Trilog gingen, in dem ein Kompromiss gesucht werde. Dann muss das EP erneut abstimmen. “Ich gehe davon aus, dass bei dieser Schlussabstimmung dann über (…) die Lieferkettenrichtlinie im Europäischen Parlament die Mehrheit zustande kommt, die ich immer gerne sehen möchte, nämlich eine Mehrheit aus EVP, sozialdemokratischer Fraktion und Liberalen.” Er fügte hinzu, dass es aber auch am Donnerstag eine Mehrheit ohne Rechtsextreme gegeben hätte. Zugestimmt habe neben EVP und Liberalen die sehr konservative Parteienfamilie EKR, zu der etwa die polnische PiS-Partei, aber auch die rechtspopulistischen Schwedendemokraten gehören.

SPD-Co-Chefin Bas reagierte deutlich kritischer. Sie gebe dem Kanzler recht, dass die Mitte-Parteien auch im Europäischen Parlament zusammen eine Lösung finden müssten. “Für mich ist wichtig, dass man die Zukunft Europas nicht mit rechtsextremen Kräften gestalten darf”, mahnte sie. “Ansonsten (…) ist das Zeichen, was heute von Europa ausgegangen ist, für mich persönlich ein fatales Zeichen.”

Der Schulterschluss der konservativen EVP mit den Rechtsaußen-Parteien sei ein Tabubruch, kritisierte auch Terry Reintke, Co-Fraktionsvorsitzende der Grünen-Fraktion im Europa-Parlament. René Repasi, Chef der deutschen SPD-Delegation in der sozialdemokratischen Fraktion im Europa-Parlament, sprach von einem Ende der sogenannten von-der-Leyen-Koalition der Mitte-Parteien. Damit ist eine informelle Koalition aus Konservativen, Sozialdemokraten und Liberalen im EP gemeint, auf die sich EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen normalerweise stützt.

(Mitarbeit: Kate Abnett und Philip Blenkinsop; redigiert von Hans Busemann.; Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)

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