Tote bei Angriff auf Kiew – Russischer Ölhafen Noworossijsk getroffen

Kiew/Moskau (Reuters) – Russland und die Ukraine haben einander massiv angegriffen.

Beim Beschuss der ukrainischen Hauptstadt Kiew in der Nacht zu Freitag seien sechs Menschen getötet und Dutzende verletzt worden, teilte Präsident Wolodymyr Selenskyj mit. Er sprach von einem der größten Angriffe auf Kiew. Bei einem russischen Drohnenangriff auf die Schwarzmeer-Stadt Tschornomorsk wurden den Behörden zufolge zwei Menschen getötet. Russland wiederum musste nach einem schweren ukrainischen Drohnenangriff Insidern zufolge die Ölexporte aus seinem wichtigen Schwarzmeerhafen Noworossijsk aussetzen. Selenskyj erklärte, sein Land habe in der Nacht auch Langstreckenraketen vom Typ “Long Neptune” auf Ziele in Russland abgefeuert. Diese Angriffe würden immer erfolgreicher. Ziele nannte er nicht. Doch die ukrainischen Streitkräfte nehmen seit August verstärkt Raffinerien und andere Ölanlagen in Russland unter Beschuss, um dessen für die Kriegswirtschaft immens wichtige Öleinnahmen zu schmälern.

Selenskyj sprach von einem der schwersten Angriffe auf Kiew seit Beginn der großangelegten russischen Invasion im Februar 2022. Die russischen Streitkräfte hätten 430 Drohnen und 18 Raketen eingesetzt. Obwohl die meisten Geschosse abgefangen worden seien, hätten herabfallende Trümmer und Brände unter anderem Hochhäuser, eine Schule und eine medizinische Einrichtung beschädigt. “Ein niederträchtiger Angriff”, erklärte Selenskyj.

Der Chef der Kiewer Militärverwaltung, Timur Tkatschenko, teilte mit, in der Hauptstadt seien mindestens 34 Menschen verletzt worden, darunter zwei Kinder und eine schwangere Frau. Selenskyj zufolge wurde bei dem russischen Angriff die Botschaft Aserbaidschans von Trümmern einer Iskander-Rakete getroffen. Das Heizungssystem der Stadt wurde beschädigt. Aserbaidschans Außenministerium bestellte aus Protest dagegen den russischen Botschafter in Baku ein. Ein Teil der Umfassungsmauer sei zerstört und schwere Schäden am Gelände der Botschaft verursacht worden, teilte das Ministerium mit.

Zudem kam es nach Angaben des ukrainischen Energieministeriums zu teilweisen Stromausfällen in der zentralen Region Kiew sowie in den Regionen Odessa im Süden und Donezk im Osten. Bei dem russischen Drohnenangriff auf Tschornomorsk wurde den Behördenangaben zufolge ein Markt getroffen. Neben den beiden Todesopfern habe es zehn Verletzte gegeben, darunter ein Kind.

Selenskyj kündigte eine Reaktion an und forderte die Verbündeten auf, die Sanktionen gegen Russland zu verschärfen. Die Ukraine hat ihrerseits ihre Drohnenangriffe tief im russischen Hinterland verstärkt, um Ölraffinerien und Pipelines auszuschalten. Am Freitag war der für die Erdölausfuhren wichtige russische Schwarzmeerhafen Noworossijsk das Ziel.

ÖLDEPOT IN RUSSISCHEM SCHWARZMEERHAFEN BESCHÄDIGT

Bei dem Angriff wurden russischen Behörden zufolge ein angedocktes Schiff, Wohnhäuser und ein Öldepot beschädigt. Drei Besatzungsmitglieder des Schiffes seien verletzt worden. Ein Feuer in einem Öldepot des Terminals Schescharis, über das Rohöl und Ölprodukte exportiert werden, sei gelöscht worden, teilten die örtlichen Behörden mit. Den Insidern zufolge musste der russische Pipeline-Monopolist Transneft allerdings seine Lieferungen nach Noworossijsk einstellen. Das Kaspische Pipeline-Konsortium, das Öl aus Kasachstan über einen benachbarten Terminal exportiert, setzte die Ölverladungen zeitweise aus. Der Ölpreis zog aus Furcht vor Lieferausfällen daraufhin an.

Die Ukraine bestätigte, den Angriff auf den russischen Ölhafen Noworossijsk. “Jede getroffene Ölraffinerie oder jedes Ölterminal bedeutet Millionen von Dollar weniger für die Kriegsmaschinerie des Kremls”, sagte ein Vertreter der ukrainischen Sicherheitsdienste. “Wir werden dem Aggressor weiter die Ressourcen entziehen, bis er die Fähigkeit verliert, diesen Krieg zu führen.”

“GERECHTE ANTWORT AUF RUSSLANDS TERROR”

Selenskyj teilte auf der Online-Plattform X mit, die Marschflugkörper vom Typ “Long Neptune” seien erfolgreich eingesetzt worden. “Und dies ist unsere absolut gerechte Antwort auf den anhaltenden Terror Russlands”, schrieb er. “Ukrainische Raketen liefern praktisch jeden Monat immer bedeutendere und präzisere Ergebnisse.” Die Raketen, die im März erfolgreich bei Kampftests eingesetzt wurden, hätten eine Reichweite von 1000 Kilometern, sagte Selenskyj damals. Wo sie getestet wurden, ließ er offen. Anfang dieser Woche teilte der ukrainische Generalstab mit, dass er den effektiven Einsatz einheimischer Langstreckenwaffen, einschließlich Raketen vom Typ “Neptune”, verstärke. “Dies bereitet dem Feind erhebliche Schwierigkeiten”, erklärte der Generalstab am Dienstag.

(Bericht von: Anastasiia Malenko, Olena Harmash, Yurii Kovalenko, Ronald Popeski; bearbeitet von Sabine Ehrhardt und Christian Götz, redigiert von Kerstin Dörr. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte)

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