“Träge Konjunktur” bremst Frühjahrsbelebung auf deutschem Arbeitsmarkt

Nürnberg/Berlin (Reuters) – Die schwächelnde Konjunktur hat die übliche Frühjahrsbelebung auf dem deutschen Arbeitsmarkt im April gebremst.

Die Zahl der Erwerbslosen sank zwar um 8000 im Vergleich zum Vormonat auf 2,586 Millionen, wie die Bundesagentur für Arbeit (BA) am Freitag mitteilte. In den beiden Vorjahren hatte es im April aber noch je einen Rückgang von mehr als 50.000 gegeben. Die Arbeitslosenquote verharrte bei 5,7 Prozent. “Die Frühjahrsbelebung am Arbeitsmarkt bleibt auch im April schwach”, sagte BA-Chefin Andrea Nahles bei der Vorstellung der Monatsbilanz in Nürnberg. “Einer der Gründe dafür ist die träge Konjunktur.” Insgesamt befinde sich der Jobmarkt aber in einer “stabilen Verfassung”.

Auch Bundesarbeitsminister Hubertus Heil äußerte sich positiv. Der Anstieg der Erwerbslosenzahl binnen Jahresfrist um 276.000 gehe vor allem auf ukrainische Geflüchtete zurück. “Dennoch erleben wir einen stabilen Arbeitsmarkt in einem wirtschaftlich schwierigen Umfeld”, sagte der SPD-Politiker. Erfreulich sei der Anstieg der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung auf mehr als 34,6 Millionen Personen. Die verhaltene Entwicklung am Jobmarkt zeige sich aber bei der Langzeitarbeitslosigkeit. “Hier wird vor allem deutlich, dass rund zwei Drittel der Langzeitarbeitslosen über keine Berufsausbildung verfügen.” Deshalb sei es richtig, dass die Ampel-Koalition mit dem neuen Bürgergeld mehr auf Weiterbildung und Qualifizierung setzte anstatt auf Vermittlung in Helferjobs.

JOBMARKT STECKT FOLGEN VON CORONA UND KRIEG RECHT GUT WEG

Unter Herausrechnung der jahreszeitlichen Schwankungen stieg die Erwerbslosenzahl laut BA im Monatsvergleich um 24.000. Von Reuters befragte Ökonomen hatten hier nur mit plus 10.000 gerechnet. “Der deutsche Arbeitsmarkt hat die Folgen der Corona-Krise und des Ukraine-Kriegs bisher mit erstaunlich wenigen Blessuren überstanden”, sagte KfW-Chefökonomin Fritzi Köhler-Geib. Das liege vor allem am zunehmenden Mangel an Fachkräften. Dennoch hätten 17 Prozent der 20- bis 34-Jährigen und damit 2,5 Millionen junge Menschen 2021 keinen Berufsabschluss gehabt. “Das ist ein Höchststand und eine besorgniserregende Entwicklung”, warnte Köhler-Geib.

Die Bundesregierung erwartet in diesem Jahr ein Wirtschaftswachstum von 0,4 Prozent. “Gemessen an normalen Jahren ist das natürlich nicht befriedigend”, sagte Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck vor kurzem. Anfang 2023 stagnierte die Wirtschaft nur, während Fachleute 0,2 Prozent Wachstum für das erste Quartal erwartet hatten. Die maue Konjunktur schlägt sich traditionell erst verzögert auf den Arbeitsmarkt nieder.

Bei den Unternehmen ist die Bereitschaft zu Neueinstellungen ungeachtet der mauen Konjunktur aktuell so groß wie seit acht Monaten nicht mehr, wie das Münchner Ifo-Institut jüngst zu seiner Umfrage unter 9500 Unternehmen mitteilte. “Der Beschäftigungsaufbau setzt sich fort, obwohl sich der Zuwachs verlangsamt, auch wegen der schrumpfenden Bevölkerung”, sagte der Leiter der Ifo-Umfragen, Klaus Wohlrabe. “Treiber beim Beschäftigungsaufbau in Deutschland sind die Dienstleister.”

(Bericht von Rene Wagner und Klaus Lauer, redigiert von Christian Rüttger – Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com)

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