EZB wird Zinserhöhungstempo wohl etwas drosseln

Frankfurt (Reuters) – Die Europäische Zentralbank (EZB) wird nach Ansicht der meisten Volkswirte wohl auf einen etwas weniger aggressiven Zinserhöhungskurs umschalten.

Nach den Prognosen der Experten werden die Euro-Wächter um EZB-Chefin Christine Lagarde heute (Donnerstag) auf ihrer Zinssitzung die Schlüsselsätze um 0,50 Prozentpunkte anheben. Nur sehr wenige Ökonomen erwarten, dass sie die Zinsen in einem weiteren Jumbo-Schritt wie im September und Oktober um 0,75 Prozentpunkte erhöhen werden. Aktuell liegt der Leitzins im Euro-Raum bei 2,00 Prozent und der für die Finanzmärkte maßgebliche Einlagensatz bei 1,50 Prozent. Die EZB hatte angesichts des massiven Inflationsschubs nach vielen Jahren der ultralockeren Geldpolitik im Juli die Zinswende vollzogen. Inzwischen wurden in rascher Abfolge die Schlüsselsätze bereits dreimal erhöht.

Zuletzt hatte die Inflation im Euro-Raum leicht abgenommen. Die Teuerungsrate sank im November auf 10,0 Prozent von 10,6 Prozent im Oktober. Der erste Inflationsrückgang seit Mitte 2021 nährte Hoffnungen, dass der Höhepunkt überschritten ist. Angetrieben durch einen massiven Preisschub bei Energie und Lebensmitteln infolge des Ukraine-Kriegs hatte die Teuerungsrate zuvor immer neue Rekordniveaus erklommen. Angesichts der Anzeichen für eine Abschwächung des Preisdrucks hatten sich manche Währungshüter für etwas weniger Tempo bei den Zinserhöhungen ausgesprochen. Dennoch hatten auch sie klar gemacht, dass das Notenbankziel von zwei Prozent Inflation immer noch weit entfernt liegt.

Erwartet wird zudem, dass die Währungshüter auf ihrem Treffen wichtige Weichen für einen künftigen Abbau der billionenschweren Anleihenbestände der Notenbank stellen werden. Bundesbank-Präsident Joachim Nagel plädierte unlängst dafür, mit dem Abschmelzen der hohen Anleihenbestände bereits im ersten Quartal 2023 zu beginnen. Volkswirte rechnen damit, dass die EZB auf jeden Fall sehr behutsam vorgehen wird, um Turbulenzen an den Anleihemärkten zu vermeiden.

(Bericht von Frank Siebelt, redigiert von Ralf Banser; Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)

tagreuters.com2022binary_LYNXMPEIBE090-VIEWIMAGE