Berlin/Brüssel/Helsinki (Reuters) – Die Bundesregierung rechnet Insidern zufolge nicht mit einem baldigen Durchbruch bei der angedachten Reform der europäischen Schuldenregeln.
Die bisherigen Vorschläge der EU-Kommission seien weiter nicht zustimmungsfähig, hieß es am Mittwoch im Umfeld des FDP-geführten Finanzministeriums. In einem angedachten Meinungsstück vor den geplanten Verhandlungen am Freitag heißt es zudem, numerische Vorgaben zum Abbau von Haushaltsdefiziten und Schuldenständen müssten bei der Reform berücksichtigt werden. Laut Studien des Münchner Ifo-Instituts geht eine Begrenzung staatlicher Schulden nicht zwingend zulasten von Investitionen, wie dies mehrere EU-Staaten befürchten.
Die Bundesregierung habe sich bereits kompromissbereit gezeigt, nun müssten sich andere EU-Partner bewegen, um eine Einigung möglich zu machen, so deutsche Regierungsvertreter. “Wir wollen auch quantitative Vorgaben zur Reduzierung von Defiziten und Schuldenstandsquoten in dem Vorschlag sehen.” Der Prozess dazu stehe noch ganz am Anfang. Dies gilt jedoch als rote Linie für Bundesfinanzminister und FDP-Chef Christian Lindner, die er Insidern zufolge nicht aufzugeben gedenkt.
Die Bundesregierung erwägt im Vorfeld der anstehenden Beratungen einen Meinungsartikel mit Verbündeten aus der EU zu veröffentlichen. In einem Reuters vorliegenden Entwurf heißt es, letztlich drehe sich Finanzpolitik darum, politische Schwerpunkte quantitativ auszuarbeiten. Insidern zufolge wird der Beitrag derzeit noch mit anderen Ländern abgestimmt. Vor allem Frankreich, Italien und Spanien pochen auf mehr Flexibilität in der Finanzpolitik und sind gegen zu harte Vorgaben.
Am Freitag werden die EU-Finanzminister in Luxemburg erstmals auf Ministerebene über die Vorschläge der EU-Kommission diskutieren. Sie sehen im Kern künftig individuell ausgehandelte Abbaupfade für EU-Staaten mit zu hohen Haushaltsdefiziten und Schuldenständen vor – statt bislang pauschaler Vorgaben. EU-Länder sollen in der Regel in einem Zeitraum von vier Jahren ihre Werte verbessern müssen, teilweise innerhalb von sieben Jahren.
LINDNER HAT HOFFNUNGEN BEREITS GEDÄMPFT
Das Ifo-Institut betonte, wichtig sei bei Fiskalregeln die konkrete Ausgestaltung. Ideal wären verbesserte Investitionsanreize bei gleichzeitiger Begrenzung der Schulden. Schuldenfinanzierte Ausgaben sollten auf Investitionen beschränkt werden. “Alle anderen Staatsausgaben müssten durch entsprechende Einnahmen im Staatshaushalt gedeckelt sein.” Daher sei eine klare Definition wichtig, was genau als öffentliche Investition durchgehe.
Lindner hatte zuletzt bereits deutlich gemacht, dass sich kurz vor dem Ende der schwedischen EU-Ratspräsidentschaft keine Kompromisslinien abzeichneten. Die Kommissionsvorschläge würden nicht verlässlich genug dazu führen, Schulden zurückzufahren. Es brauche daher in Zahlen gegossene Vorgaben beim Abbau und zusätzliche Absicherungen für einen regelmäßigen Rückgang von Defiziten und Schuldenständen.
Die europäischen Schuldenregeln sind seit 2020 zunächst wegen der Corona-Pandemie und später wegen der Folgen des Krieges in der Ukraine ausgesetzt, sollen aber ab 2024 wieder greifen. Jährliche Vorgaben zum Schuldenabbau könnten viele Staaten überfordern. In deutschen Regierungskreisen hieß es zuletzt, vor Dezember sei vermutlich keine Einigung auf eine Reform zu erwarten.
(Bericht von Christian Krämer, Anna Kauranen und Jan Strupczewski; Redigiert von Scot W. Stevenson; Bei Rückfragen wenden Sie sich an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)










