Frankfurt/Wien/Paris (Reuters) – Aus Sicht mehrerer Währungshüter müssen die Zinsen womöglich auch nach der von EZB-Chefin Christine Lagarde in Aussicht gestellten Anhebung im Juli weiter steigen.
“Möglicherweise müssen wir nach der Sommerpause die Zinsen weiter anheben”, sagte etwa Bundesbank-Präsident Joachim Nagel am Freitag in Amsterdam. Die Europäische Zentralbank hatte am Donnerstag die Zinsen um 0,25 Prozentpunkte auf 3,50 Prozent angehoben. Für Juli stellte Lagarde den nächsten Schritt in Aussicht.
Für Belgiens Notenbankchef Pierre Wunsch wird viel davon abhängen, ob die Kerninflation weiter sinkt. Sollte sie erheblich zurückgehen, würden die Zinsen nicht erhöht, sagte er vor Journalisten. Aber sollte es keinen Rückgang geben, könnten die Zinsen im September angehoben werden, und es könne dann sogar noch mehr kommen. “Wenn die Kerninflation in den kommenden Monaten auf Jahresbasis bei etwa fünf Prozent bleibt, dann werden wir über den September hinaus anheben.”
Die Inflation ist trotz der Serie von Zinserhöhungen der EZB noch immer nicht eingedämmt. Die Verbraucherpreise stiegen im Euroraum im Mai binnen Jahresfrist um 6,1 Prozent, nach 7,0 Prozent im Mai. Das EZB-Inflationsziel liegt aber bei nur zwei Prozent. Die Kernrate sank im Mai von nur leicht von 5,6 auf 5,3 Prozent. Sie gilt als guter Indikator für die zugrundeliegenden Inflationstrends und wird daher genau beobachtet.
Auch aus Sicht von Österreichs Notenbankchef Robert Holzmann kann sich die EZB noch nicht zurücklehnen. “Wenn die Dinge so weiter gehen wie bisher – das heißt, die Kerninflation weiter hartnäckig bleibt – dann folgt ja schon die klare Schlussfolgerung: Dann wird wahrscheinlich nachgebessert werden müssen”, sagte das EZB-Ratsmitglied in Wien.
Litauens Notenbankchef Gediminas Simkus erklärte, es sei zu früh, um sich festzulegen, auf welchem Niveau sich die Zinsen im Herbst befänden. “Die Inflation war zu lange zu hoch.” Die jüngsten Wirtschaftsprognosen der EZB-Volkswirte sehen für 2025 noch eine Teuerungsrate von 2,2 Prozent vor. Lagarde hatte dies am Donnerstag nach dem Zinsbeschluss als nicht zufriedenstellend bezeichnet. Markspekulationen darauf, dass die EZB die Zinsen bereits Anfang 2024 wieder senken werde, wies Simkus zurück. Ein solch schneller Kurswechsel wäre verwirrend, sagte er.
IWF STÄRKT EZB DEN RÜCKEN
Frankreichs Notenbankchef Francois Villeroy de Galhau sagte in Paris, die künftigen Zins-Entscheidungen würden von den Daten abhängen, Sitzung für Sitzung. “Daher sollte niemand voreilige Schlüsse über unseren Zeitplan oder unseren Leitzins ziehen.” Am Geldmarkt wird inzwischen darauf gewettet, dass der Schlüsselzins im Euroraum auf über 3,9 Prozent steigen wird.
Unterstützung erhielt die EZB vom Internationalen Währungsfonds (IWF). “Die Geldpolitik muss weiter gestrafft werden, um die Inflation rechtzeitig auf das Zielniveau zu bringen”, hieß es in einem IWF-Bericht, der den Finanzministern der Eurozone sowie der EZB vorgelegt wurde. Der IWF begrüßte zudem die Entscheidung der EZB, allmählich ihre durch jahrelange Anleihenkäufe angeschwollene Bilanz zu reduzieren.
(Bericht von Frank Siebelt, Francois Murphy, Andrius Sytas, Terje Solsvik, Jan Strupczewski, Julia Payne und Leigh Thomas; redigiert von Ralf Bode. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)











