Länder drängen Bund zur Hilfe bei Strompreis für Industrie

Berlin (Reuters) – Die Bundesländer warnen die Bundesregierung immer lauter vor einem Abwandern von Industriebtrieben wegen zu hoher Strompreise.

“Die Uhr läuft”, sagte Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) nach einem Treffen der 16 Länderchefinnen und Länderchefs mit Kanzler Olaf Scholz. “Wir haben als 16 Ländern der Bundesregierung nahegelegt, … schnell zu Maßnahmen zu gelangen, weil wir ansonsten wirklich Substanz verlieren”, fügte er hinzu. “Die Zeit drängt”, sagte auch NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU).

Scholz verwies dagegen darauf, dass die Regierung den Netzausbau und die Produktion etwa von billigem Windstrom beschleunigen wolle, damit etwa auch der Süden Zugang zu billigem Strom bekomme. “Wir werden bei Strompreisen Entlastung bekommen”, sagte er mit Blick auf die von der Regierung beschlossene Planungsbeschleunigung bei den Stromnetzen und dem Ausbau der Erneuerbaren Energien.

Die Länder warnen aber, dass dies nicht reiche und zu langfristig gedacht sei. “Bis dahin müssen viele Unternehmen durchhalten”, sagte Weil und verwies auf die billigere Konkurrenz aus dem Ausland. Schon zuvor hatte er gesagt, dass man aus immer mehr Branchen die Ansage höre, dass gerade energieintensive Firmen nicht mehr konkurrenzfähig seien. Auch kleinere Firmen etwa mit ausländischen Besitzern drohten mit einer Verlagerung oder meldeten, dass sie keine Aufträge mehr bekämen. Es gehe nicht nur um einen Wettbewerb mit den USA, sondern mittlerweile auch mit anderen EU-Standorten. Hinweise auf angebliche Probleme mit der EU-Kommission wies der SPD-Politiker zurück. Auch Länder wie Spanien, Italien oder Frankreich würden ihrer Industrie längst beim Strompreis helfen.

Wüst betonte, dass ein enormer Ausbau an Windstrom nötig sei, um die Firmen mit ausreichend billigem Strom zu versorgen. Deshalb gebe es eine Übergangszeit, für die man eben eine Antwort brauche. Investitionsentscheidungen würden schon heute nicht immer zugunsten von Deutschland getroffen.

Hintergrund der Debatte ist, dass die Ampel-Regierung im Bund weiter über die Einführung eines subventionierten Industriestrompreises für energieintensive Betriebe streitet, etwa in der Chemie-, Stahl- oder Glasindustrie. Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) will einen subventionierten Strompreis ebenso wie die SPD-Fraktion mit einer zeitlicher Befristung. Finanzminister Christian Lindner (FDP) lehnt einen Industriestrompreis dagegen strikt ab. Auch Scholz selbst gilt als Skeptiker und hatte darauf verwiesen, dass es ein gefährlicher Weg sein, wenn man nun auch die Stromproduktion heruntersubventioniere. Stattdessen verwies er am Donnerstag darauf, dass man Firmen mit Milliarden-Subventionen beim Weg in eine klimaneutrale Produktion helfe.

Wüst hatte als mögliche Alternative ähnlich wie Habeck Direktvermarktungsverträge für billig erzeugten Strom vorgeschlagen, den Firmen direkt mit dem Erzeuger aushandeln. Frankreich mache dies mit Atomstrom, in Deutschland könnte man solche Direktverträge für Firmen mit Offshore-Wind ermöglichen, der sehr viel billig sei. Nur bräuchten die Firmen endlich Planungssicherheit, sagte Wüst.

(Bericht von Andreas Rinke; redigiert von Scot W. Stevenson; Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)

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