New York/Berlin (Reuters) – In die festgefahrenen Verhandlungen zur Lösung der Ukraine-Krise wollen westliche Staaten mit einer Serie von Gesprächen mit Russland neuen Schwung bringen.
Zugleich wollen westliche Politiker in die Ukraine reisen, um ihre Solidarität zu zeigen. Polen berichtete am Montag von Anzeichen, dass Russland seine künftige Militärpräsenz in Belarus erhöhen wird. Bei einer öffentlichen Sitzung des UN-Sicherheitsrates tauschten beide Seiten Vorwürfe aus. Während die Ukraine in New York einen Abzug der russischen Soldaten von der gemeinsamen Grenze forderte, sprach Russland von einer Einmischung in die inneren Angelegenheiten des Landes. In Berlin versuchte die SPD-Führung, ihre Linie in der Russland-Politik abzustecken.
US-Außenminister Antony Blinken soll am Dienstag mit seinem russischen Kollegen Sergej Lawrow telefonieren. Dabei dürfte es um die Warnungen der USA und der EU gehen, dass Russland mit harten Sanktionen zu rechnen habe, wenn es das Nachbarland angreife. Auch der britische Premierminister Boris Johnson und der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan planen in dieser Woche Gespräche mit Russlands Präsident Wladimir Putin. Zugleich wollen europäische Staaten der Ukraine Signale der Unterstützung senden. Johnson, der niederländische Ministerpräsident Mark Rutte sowie EU-Handelskommissar Valdis Dombrovskis reisen dazu am Dienstag in die Ukraine.
Die US- und britische Regierung erklärten, dass die politische Führung in Moskau getroffen werden solle. Im Visier seien “Individuen, die wir im oder nahe des inneren Kreises im Kreml identifiziert haben, die eine Rolle in der Regierungsentscheidung spielen oder sich an dem destabilisierenden Verhalten des Kreml beteiligen”, sagte ein US-Vertreter. Die britische Außenministerin Liz Truss kündigte neue Gesetze an, mit denen gezielt Sanktionen gegen russische Verantwortliche für eine Aggression gegenüber der Ukraine verhängt werden könnten. Dabei könnten auch Vermögenswerte eingefroren werden.
RUSSLAND KRITISIERT “MEGAPHON-DIPLOMATIE”
Russland scheiterte im UN-Sicherheitsrat mit dem Versuch, eine Sitzung zur Ukraine-Krise hinter verschlossenen Türen abzuhalten. Der russische UN-Botschafter Wasily Nebensja sprach von “Megaphon-Diplomatie”. Eine Debatte über die russischen Truppen nahe der ukrainischen Grenze sei eine Einmischung in innere Angelegenheiten. Sein Land habe schon öfters Truppen innerhalb der eigenen Grenzen verlegt, ohne dass damit eine Hysterie ausgelöst worden sei. Von Seiten der Ukraine hieß es, man können den russischen Versicherungen nicht glauben, bis die Truppen wieder zurückverlegt worden seien. Sein Land wiederum werde keine Offensive gegen die Separatistengebiete im Osten der Ukraine, die von Russland annektierte Krim oder woanders starten.
Westliche Staaten und die Ukraine werfen Russland vor, angesichts der Truppenkonzentration von 100.000 Soldaten nahe der Grenze zur Ukraine einen Angriff vorzubereiten. Russland dementiert dies und fordert Zusicherungen, dass die Ukraine nicht der Nato beitreten wird. Der polnische Außenminister Zbigniew Rau verwies am Montag bei einem Besuch in der estnischen Hauptstadt Tallinn auf Signale, dass Russland seine Truppen in Belarus verstärke. Belarus liegt zwischen Polen und Russland und grenzt im Süden an die Ukraine.
In Berlin wies SPD-Chef Lars Klingbeil den Eindruck der Zerstrittenheit in Regierung und seiner Partei in der Russland-Politik zurück. “Es ist völlig klar für uns: Wir erleben eine Eskalation, die von Russland ausgeht”, sagte Klingbeil in der ARD auf die Frage, ob es nicht Differenzen in seiner Partei und der Ampel-Regierung gebe. “Da sind wir sehr deutlich, dass alle Optionen auf dem Tisch liegen, sollte Russland die Ukraine angreifen”, fügte er mit Blick auf mögliche Sanktionen hinzu. Seit Wochen gibt es eine Debatte, ob es dann Sanktionen gegen die Gaspipeline Nord Stream 2 geben sollte.
(Reporter: Andrius Sytas, Maria Kiselyova, Anita Komuves, Steve Holland und Andreas Rinke; Bearbeitet von Scot W. Stevenson, redigiert von Hans Busemann; Bei Fragen wenden Sie sich bitte an die Redaktionsleitung unter der Telefonnummer +49 30 220 133 711)