Russland verhängt Sendeverbot gegen Deutsche Welle

– von Vladimir Soldatkin und Alexander Ratz

Moskau/Berlin (Reuters) – Nach dem Verbot des russischen Senders RT DE in Deutschland hat die Regierung in Moskau der Deutschen Welle die Sendelizenz gestrichen.

Die Deutsche Welle müsse ihr Büro in der russischen Hauptstadt schließen, der Sender dürfe in Russland nicht mehr ausgestrahlt werden, teilte das Außenministerium in Moskau am Donnerstag mit. Den Mitarbeitern des deutschen Auslandssenders werde die Akkreditierung entzogen. Das Auswärtige Amt in Berlin kritisierte die Ankündigung scharf. “Die Maßnahmen … entbehren jeglicher Grundlage und stellen eine erneute Belastung für die deutsch-russischen Beziehungen dar.” Sollten die Schritte tatsächlich umgesetzt werden, würde dies die freie Berichterstattung unabhängiger Journalistinnen und Journalisten in Russland, der gerade in politisch angespannten Zeiten eine besondere Bedeutung zukomme, in erheblichem Maße einschränken. Die Deutsche Welle selbst kündigte rechtliche Schritte an.

Der deutschsprachige Kanal von RT war im Dezember an den Start gegangen, einen Tag später leitete die Medienanstalt Berlin-Brandenburg (MABB) ein Prüfverfahren ein, weil eine Rundfunkzulassung weder beantragt noch erteilt worden sei. Dazu musste sich die RT DE Productions GmbH mit Sitz in Berlin bis Ende des Jahres äußern. Die wegen der bundesweiten Verbreitung von RT DE zuständige Kommission für Zulassung und Aufsicht (ZAK) entschied diese Woche nun, dass sich RT DE auch auf keine andere europarechtlich legitime Erlaubnis berufen könne und verbot die Ausstrahlung. RT kündigte an, gegen die Entscheidung vor Gericht zu ziehen.

Russland hat wiederholt den Vorwurf geäußert, dass das Vorgehen gegen RT politisch motiviert sei. Dies hat die Bundesregierung stets zurückgewiesen. Zuletzt hatte Außenministerin Annalena Baerbock bei ihrem Besuch in Moskau im Januar deutlich gemacht, dass in Deutschland Pressefreiheit herrsche. RT, früher Russia Today, ist nach eigenen Angaben eine “autonome, gemeinnützige Organisation, die aus dem öffentlichen Haushalt der Russischen Föderation finanziert wird”. Kritiker werfen RT vor, russische Staats-Propaganda und Falschmeldungen zu verbreiten.

“EINE VÖLLIGE ÜBERREAKTION”

Die Staatsministerin für Kultur und Medien, Claudia Roth, erklärte, die Entscheidung der russischen Regierung sei “in keiner Weise hinnehmbar”. Die Gleichsetzung des Verbots des russischen Senders RT DE in Deutschland mit der Arbeit der Deutschen Welle in Russland entbehre jeglicher Grundlage, erklärte die Grünen-Politikerin. Im übrigen sei die Deutsche Welle “staatsfern organisiert, das heißt, anders als bei RT DE nimmt der deutsche Staat keinen Einfluss auf die Programmgestaltung”. Sie appelliere an die russische Seite, beide Vorgänge “nicht für eine politische Reaktion zu missbrauchen. Im beiderseitigen Verhältnis braucht es klare Schritte der Deeskalation.”

Auch DW-Intendant Peter Limbourg nannte den Schritt der russischen Behörden “in keiner Weise nachvollziehbar und eine völlige Überreaktion”. Sein Sender werde “zum Spielball gemacht, wie es Medien nur in Autokratien erfahren müssen”, erklärte Limbourg und kündigte den Rechtsweg an. Bis zu einer offiziellen Zustellung werde die Deutsche Welle weiter aus ihrem Moskauer Büro berichten. “Selbst wenn wir es letztendlich schließen müssten, würde unsere Berichterstattung über Russland dadurch nicht beeinträchtigt. Vielmehr würden wir die Berichterstattung deutlich verstärken.” Den Angaben zufolge hat die Deutsche Welle seit 2005 in Russland Sendelizenzen für die TV-Kanäle DW English und DW Deutsch. Die aktuellen Lizenzen gelten demnach für DW English bis 2025 und für DW Deutsch bis 2027.

Die Deutsche Welle ist eine Anstalt des öffentlichen Rechts und gehört zur ARD. Sie finanziert sich über Steuergelder und nicht über die Rundfunkgebühren. Der Deutsche Journalistenverband (DJV) forderte dass die Beschäftigten des Senders in Moskau ihre Akkreditierungen zurückerhalten müssten. “Es gibt keinerlei Rechtfertigung für diese drastische Zensurmaßnahme”, erklärte der DJV-Bundesvorsitzende Frank Überall. Im Gegensatz zum “Propagandakanal RT DE” biete die Deutsche Welle unabhängigen und kritischen Journalismus. “Die Bundesregierung steht in der Verantwortung für die Deutsche Welle und ihre Beschäftigten. Das muss Moskau unverzüglich klargemacht werden.” Die Dienstleistungsgewerkschaft Ver.di sprach von einem “klaren Angriff auf die Pressefreiheit in einem Land, das Meinungsfreiheit und demokratische Opposition auch gewaltsam unterdrückt”.

Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Hendrik Wüst, in dessen Bundesland die Deutsche Welle ihren Sitz hat, kritisierte das Verbot. “Das Vorgehen Russlands gegen die Deutsche Welle ist ein massiver & willkürlicher Angriff auf die Pressefreiheit, den wir scharf verurteilen”, schrieb der CDU-Politiker auf Twitter. “Die @DeutscheWelle mit Sitz in Bonn steht für unabhängigen Journalismus & den Austausch der Kulturen & Völker. Das ist ihr klarer Auftrag.”

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