– von Andreas Rinke und Vladimir Soldatkin
Washington/Moskau/Kiew (Reuters) – US-Präsident Joe Biden hat für den Fall eines russischen Angriffs auf die Ukraine das Ende der Ostsee-Gaspipeline Nord Stream 2 angekündigt.
“Falls Russland in der Ukraine einmarschiert, dann wird es Nord Stream 2 nicht länger geben”, sagte Biden am Montag in Washington nach einem Gespräch mit Kanzler Olaf Scholz. Scholz versicherte, man werde alle Sanktionsschritte bei einer Eskalation gemeinsam gehen. In Moskau sagte der russische Präsident Wladimir Putin nach einem Gespräch mit dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron, die Unterredung sei nützlich, substanziell und sachlich gewesen. Es sei möglich, dass manche Vorschläge Macrons Basis für gemeinsame weitere Schritte bilden könnten.
Derzeit läuft die internationale Krisendiplomatie auf Hochtouren. Scholz wird am Dienstag Macron und den polnischen Präsidenten Andrzej Duda empfangen. Macron will dabei über sein Gespräch mit Putin informieren. Am Donnerstag trifft sich Scholz dann mit den drei baltischen Ministerpräsidenten. “Die nächsten Tage werden entscheidend sein und intensive Gespräche erfordern”, sagte Macron in Moskau.
Ziel der Gespräche ist eine möglichst geschlossene Haltung des Westens. Scholz sagte in Washington, inzwischen sei in Moskau die Botschaft angekommen, dass Russland für eine Invasion einen sehr hohen Preis zahlen würde. Biden sprach von “schnellen und entschiedenen” Sanktionsschritten. Er forderte die US-Amerikaner auf, die Ukraine zu verlassen. Niemand wisse, ob Putin am Ende wirklich angreifen wolle oder nicht.
Biden und Scholz wiesen Kritik an einem zu zögerlichen Vorgehen Deutschlands in der Ukraine-Krise zurück: “Deutschland hat das komplette Vertrauen der USA. Es gibt keinen Zweifel an der Partnerschaft”, sagte Biden. Beide betonten, Deutschland sei Hauptfinanzierer der Ukraine. Auf die Frage, ob Deutschland Bidens Sicht zu harten Sanktionen teile, antwortete Scholz: “Wir werden bei den Sanktionen komplett einvernehmlich agieren.” Er nannte Nord Stream 2 auch auf Nachfrage erneut nicht beim Namen, sagte aber: “Wir werden alle notwendigen Schritte ergreifen. Es wird keine Maßnahme geben, bei denen wir unterschiedlich agieren.”
Biden zeigte sich zuversichtlich, dass die USA und andere Produzenten von Flüssiggas den Europäern helfen könnten, sollte es bei einer Eskalation zum Rückgang oder gar Ende russischer Gaslieferungen für Westeuropa kommen. “Wir denken, dass wir einen Großteil davon ausgleichen können”, sagte Biden. Er ließ aber offen, ob er bereit sei, auch die milliardenschweren Öleinkäufe der USA in Russland als Teil eines Sanktionspakets gegen Russland anzusehen und entsprechend darauf zu verzichten.
SCHOLZ UND MACRON SEHEN FORTSCHRITTE BEI DIPLOMATIE
In Moskau lobte Putin das Gespräch mit Macron. Man werde nochmals telefonieren, wenn Macron mit der ukrainischen Führung gesprochen habe. Scholz wird kommende Woche nach Kiew und nach Moskau reisen. Macron sagte, eine neue Sicherheitsarchitektur in Europa sollte nicht dadurch geschaffen werden könne, dass Staaten das Recht auf einen Beitritt zur Nato abgesprochen werde. Russland fordert, die Ukraine dürfe nicht Mitglied der Nato werden. Die Nato-Staaten betonen dagegen, das Bündnis sei offen für Beitritte. Scholz hatte zugleich betont, dass ein Beitritt der Ukraine derzeit nicht auf der Agenda stehe.
“Ich bin sicher, dass wir ein Ergebnis bekommen werden, auch wenn es nicht einfach ist”, sagte Macron in Moskau mit Blick auf die diplomatischen Bemühungen. Vorrangig sei kurzfristig eine stabile militärische Lage. Auch Scholz hatte vor seinem Abflug nach Washington betont, er sehe Fortschritte bei den Gesprächen mit Moskau, auch wenn die Lage wegen des russischen Truppenaufmarsches sehr ernst bleibe. “Diplomatie ist der beste Weg voran”, betonte auch Biden bei seinem Auftritt mit Scholz.
Bundesaußenministerin Annalena Baerbock erklärte bei einem Besuch bei ihrem ukrainischen Kollegen Dmytro Kuleba in Kiew, Deutschland stehe an der Seite der Ukraine. Kuleba betonte, an der Souveränität und territorialen Integrität seines Landes gebe es nichts zu rütteln. Zudem werde es keinen direkten Dialog seiner Regierung mit den prorussischen Rebellen im Osten der Ukraine geben, wie dies von Russland verlangt werde.
Russland hat nach westlichen Angaben mehr als 100.000 Soldaten an den Grenzen zur Ukraine zusammengezogen. Zudem sind nach Nato-Angaben im an die Ukraine angrenzenden Belarus 30.000 russische Soldaten präsent. Russland hat wiederholt erklärt, man habe keine Angriffspläne. Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg sagte in Brüssel, das Bündnis erwäge eine längerfristige militärische Präsenz in Osteuropa, um ihre Verteidigung zu verstärken.
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