Berlin (Reuters) – Der Vermittlungsausschuss über das Wachstumschancengesetz am Mittwoch droht zu scheitern.
“Wir erwarten eine Vertagung”, sagte einer der Beteiligten der Nachrichtenagentur Reuters am Dienstag. Diese Einschätzung werde sowohl im Lager der Ampel-Parteien als auch der Union geteilt, sagte eine andere Person. Hauptgrund ist, dass Unionsvertreter weiter darauf dringen, dass der Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat nicht nur den Kompromissvorschlag für begrenzte Steuerentlastungen für Unternehmen zustimmt, sondern die Regierung die Kürzungen der Subventionen beim Agrardiesel zurücknehmen soll. Dies lehnt die Regierung ab. Eine Vertagung sei aber auch kein Problem, weil der Bundesrat erst wieder am 22. März tage, heißt es.
Kanzler Olaf Scholz rief ebenso wie Wirtschaftsminister Robert Habeck und die Fraktionschefs von SPD, Grünen und FDP zu einer schnellen Einigung auf. Die geplanten Regelungen wären eine erhebliche Erleichterung für Unternehmen, sagte Scholz (SPD) bei einer Veranstaltung des Arbeitgeber-Spitzenverbandes BDA. Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) verwies darauf, dass das Volumen der Entlastung bereits sehr geschrumpft sei. “Aber diese Impulse sollten kommen. Und sie kommen ehrlicherweise schon zu spät”, sagte er.
Sollte eine Einigung zwischen Bund und Länder am Mittwoch scheitern, könnte eine neue Arbeitsgruppe eingesetzt werden, die etwa einen Kompromiss in der Agrarfrage aushandelt. SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich sagte, die Ampel werde sich am Mittwoch mit 31 Agrarverbänden zusammensetzen. Viele würden den Agrardiesel nicht als entscheidendes Problem für sie ansehen, das müsse die Union verstehen lernen.
Vor dem Vermittlungsausschuss hatte eine informelle Bund-Länder-Runde mit Vertreter sowohl der Ampel-Parteien als auch der Union einen Kompromissvorschlag vorgelegt. Dieser hatte die steuerliche Entlastung für Firmen von etwas mehr als sieben auf durchschnittlich 3,2 Milliarden Euro pro Jahr begrenzt. Grund war, dass nach dem Regierungsvorschlag vor allem die Länder und Kommunen einen Großteil der Steuermindereinnahmen hätten tragen müssten.
CDU-Chef Friedrich Merz wies die Kritik einiger Wirtschaftsverbände zurück, die die Union zur Zustimmung zu dieser Kompromisslösung aufgerufen hatten. Die Spitzenverbände BDI und BDA hätten sich nicht beteiligt, der Aufruf hätte zudem auch an SPD-Ministerpräsidenten gehen müssen, die den Vermittlungsausschuss ebenfalls mit angerufen hätten, betonte der Oppositionsführer.
Merz und der CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt warfen der Ampel vor, sie wolle Steuererleichterungen mit der Kürzung beim Agrardiesel für Bauern kompensieren. Beides gehöre zusammen und das werde auch Gegenstand der Gespräche im Vermittlungsausschuss sein, so Merz. Dobrindt verwies wie der Parlamentarische Geschäftsführer der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Thorsten Frei, darauf, dass das abgespeckte Gesetz ohnehin nicht die grundsätzlichen Probleme der Wirtschaft in Deutschland löse. Frei sprach von einem “Paketchen”.
Die Unionsfraktion will am Mittwoch einen Antrag mit Forderungen von zwölf wirtschaftspolitischen Reformen einbringen. Merz und Dobrindt hatten diese schon in einem Brief an Kanzler Scholz gefordert.
“Ich fordere Friedrich Merz auf, dass wir am Mittwoch gemeinsam das Wachstumschancengesetz im Vermittlungsausschuss beschließen. Das ist Verantwortung für die deutsche Wirtschaft”, sagte Grünen-Co-Fraktionschefin Katarina Dröge vor der Fraktionssitzung. “Unsere Wirtschaft in Deutschland wartet händeringend auf das Wachstumschancengesetz”, sagte auch FDP-Fraktionschef Christian Dürr. Er könne nicht nachvollziehen, weshalb die Union sich diesem Vorhaben entgegenstelle.
(Bericht von Andreas Rinke, Holger Hansen, Alexander Ratz und Markus Wacket; redigiert von Ralf Bode. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com)