Porsche soll noch dieses Jahr an die Börse

– von Jan Schwartz und Christoph Steitz

Hamburg (Reuters) – Volkswagen will den milliardenschweren Börsengang seiner Sportwagentochter Porsche noch in diesem Jahr über die Bühne bringen.

Die Platzierung von Porsche-Vorzugsaktien könnte bereits im Schlussquartal 2022 erfolgen, sagte Finanzchef Arno Antlitz am Freitag bei einer Telefonkonferenz mit Journalisten. Ein Viertel der Stammaktien soll zudem die Familie Porsche und Piech übernehmen. Im Spätsommer wolle man über den Stand der Vorbereitungen informieren. Mit einem Teil des Erlöses von womöglich mehr als 20 Milliarden Euro will Volkswagen die Transformation hin zur Elektromobilität und softwarebasierten Diensten beschleunigen. Etwa die Hälfte des Geldes soll als Sonderdividende an die Aktionäre fließen, jeder Beschäftigte soll 2000 Euro bekommen. Mit dieser von Analysten als clever bezeichneten Konstruktion erreichte die VW-Spitze, dass alle Interessengruppen in dem Großkonzern dem Plan zustimmten.

Börsianer nannten die Eckpunkte des am Vorabend geschlossenen Deals zwischen dem Wolfsburger Autokonzern und seinem Großaktionär Porsche SE ermutigend. VW-Aktien stiegen um 3,4 Prozent und die Titel der Familienholding Porsche SE um 5,1 Prozent.

Konzernchef Herbert Diess sagte, durch die Transaktion werde eine Struktur geschaffen, von der alle profitierten. Volkswagen werde sein strategisches Liquiditätsziel dabei früher erreichen und übertreffen. Die Wolfsburger stecken viele Milliarden Euro in die Entwicklung von Software, neuen E-Autos und den Bau von Batteriezellfabriken. Bis 2030 soll die Hälfte der verkauften Fahrzeuge rein batteriegetrieben sein.

Mit dem Börsengang verbindet sich für VW auch die Hoffnung, dass der Aktienkurs den vermissten Auftrieb erhält. Analysten bezweifeln dies jedoch: “Es gibt keine Garantie, dass sich der Marktwert von Porsche in den VW-Aktienkurs umwandeln wird”, schrieb Philippe Houchois von Jefferies. Es sei denn, VW befasse sich mit strukturellen Problemen der Marken- und Produktkomplexität. Die komplexe Struktur des Konzerns mit zwölf Marken ist nach Meinung von Analysten ein Grund für die niedrige Bewertung von Europas größtem Autobauer an der Börse.

VORERST KEINE WEITEREN MARKEN AN DIE BÖRSE

Um bei der für den Schwenk in die elektrische Massenmobilität benötigten Menge an Akkus unabhängiger von Lieferanten zu sein, plant der Konzern allein in Europa sechs große Batteriezellfabriken. Ein Teil des Geldes aus dem Porsche-Börsengang dürfte auch dafür verwendet werden. Die gesamten Kosten kann Volkswagen aber nicht alleine stemmen, sondern sucht dafür Partner. Auch über einen Börsengang der Batterieaktivitäten denkt das Management nach. Finanzchef Antlitz bekräftigte dies in der Telefonkonferenz. Auf die Frage, ob auch Börsengänge weiterer Marken zu erwarten seien, antwortete er, darüber werde zurzeit nicht diskutiert.

Konzernbeobachter halten es für möglich, dass der Börsengang von Porsche den Anstoß für eine Neuordnung des Mehr-Markenkonzerns geben könnte. Denkbar wäre dies für die Premiumgruppe mit Audi, Lamborghini, Bentley und die Motorradmarke Ducati. Auch die Volumengruppe mit der Hauptmarke VW, Skoda und Seat wird genannt. Die unter dem Dach von Traton zusammengefassten Nutzfahrzeugmarken MAN, Scania und Navistar hat Volkswagen bereits an die Börse gebracht.

Porsche wäre der nächste Schritt. Laut der Vereinbarung zwischen Volkswagen und den Familieneignern soll das Grundkapital der Porsche AG je zur Hälfte in Vorzugs- und Stammaktien aufgeteilt werden. Bis zu 25 Prozent der stimmrechtslosen Vorzüge sollen am Kapitalmarkt platziert werden, 12,5 Prozent des Gesamtkapitals. Die Porsche Automobil Holding SE (PSE), über die die Familien Porsche und Piech die Mehrheit an Volkswagen halten, soll 25 Prozent zuzüglich einer Aktie der Stammaktien zeichnen und erhält damit eine Sperrminorität.

MILLIARDEN FÜR DIE FAMILIENTRADITION

Geht man für Porsche von einem Wert von 90 Milliarden Euro aus, ergäbe sich für Volkswagen ein Erlös von etwa 23 Milliarden Euro – elf Milliarden durch die Platzierung von Vorzugsaktien und zwölf Milliarden aus dem Verkauf von Stammaktien gegen Aufpreis an die Porsche SE. Den Familien Porsche und Piech würden aus der Sonderdividende dann rechnerisch rund 3,6 Milliarden Euro zufließen. Das wäre knapp ein Drittel der Summe, die sie für die Beteiligung an der Porsche AG aufbringen müssten. Zusätzlich könnte die Porsche SE rund 2,2 Milliarden Euro durch einen Verkauf von VW-Stammaktien erlösen, ohne unter die Marke von 50 Prozent (aktuell 53,3 Prozent) an dem Wolfsburger Konzern zu fallen. Für die restlichen gut sechs Milliarden könnte die PSE Schulden aufnehmen. Am Ende erhielten die Familieneigner wieder direkten Zugriff auf die Ertragsperle Porsche AG, die nach der verlorenen Übernahmeschlacht vor zehn Jahren an Volkswagen gegangen war.

tagreuters.com2022binary_LYNXMPEI1O08N-VIEWIMAGE