Wien (Reuters) – Österreichs neuer Kanzler Karl Nehammer will den Fokus seiner Regierungsarbeit auf die Bekämpfung der Corona-Pandemie legen.
“Jetzt ist es notwendiger denn je, rasch in die Arbeit einzusteigen”, sagte der Politiker der konservativen Volkspartei ÖVP bei der Amtsübergabe durch Ex-Kanzler Alexander Schallenberg am Montag. Vor dem Kanzleramt in Wien protestierten hunderte Demonstranten gegen ihn und die Corona-Politik der konservativ-grünen Regierung.
Gleich nach seinem Amtsantritt will Nehammer Gespräche im Vorfeld des geplanten Bund-Länder-Gipfels am Mittwoch führen. Er wolle sich mit Experten, Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein (Grüne) und mit Vertretern der Opposition austauschen. Es gehe darum, dass Land aus den Lockdown zu führen. Der 49-Jährige übernimmt den Posten in einer schwierigen Phase. Österreich steht mitten in einem harten Lockdown. Zudem ist eine Impfpflicht geplant. Nach Plänen von Schallenberg sollten die Einschränkungen für Geimpfte und Genesene ab dem 13. Dezember wieder vorbei sein.
Auch Bundespräsident Alexander Van der Bellen bezeichnete die Bekämpfung der Pandemie als wichtigste Aufgabe für Nehammer. Die Politik solle aber keine falschen Versprechungen machen, die sich später als nicht erreichbar herausstellen, mahnte er. Ex-Kanzler Kurz etwa hatte die Pandemie im Sommer für Geimpfte für beendet erklärt.
Nehammer, ein früherer Berufssoldat und langjähriger Parteifunktionär, übernimmt das Amt von Schallenberg, der den Posten nur knapp zwei Monate innehatte. Auslöser der Rochade war der Rückzug von Ex-Kanzler Sebastian Kurz aus der Politik im Zuge von Korruptionsvorwürfen. Nehammer, der nun auch den Posten des ÖVP-Chefs übernommen hat, wurde nach dem Wahlsieg der ÖVP unter Kurz und dem anschließenden Bündnis mit den Grünen im Januar 2020 Innenminister. Er ist für seine markante Stimme und militärische Rhetorik bekannt und steht für eine harte Haltung gegen illegale Migration.
KURZ-ABSCHIED LÖSTE PERSONALROCHADE AUS
Kurz, der im Oktober infolge von Korruptionsvorwürfen und auf Druck des Koalitionspartners als Kanzler abtrat, zog sich überraschend auch als ÖVP-Partei- und Fraktionschef zurück. Der 35-Jährige, der einst jüngster Regierungschef in Europa war und als politisches Ausnahmetalent galt, war zuletzt immer stärker unter Druck geraten. Im Herbst wurden Ermittlungen gegen ihn wegen des Verdachts der Untreue, Bestechung und Bestechlichkeit publik. Seit dem Frühjahr wurde bereits gegen ihn wegen mutmaßlicher Falschaussage ermittelt.
Der Abschied von Kurz, der ein Fehlverhalten bestreitet, löste einen Umbau im ÖVP-Regierungsteam aus. Auch Finanzminister Gernot Blümel und Bildungsminister Heinz Faßmann traten zurück. Schallenberg kehrt nun ins Außenministerium zurück. Das Finanzministerium übernimmt Magnus Brunner, der bisher Staatssekretär im Umweltministerium war. Neuer Innenminister ist der vom niederösterreichischen Landtag kommende Gerhard Karner. An die Spitze des Bildungsministeriums rückt der Universitätsrektor Martin Polaschek.