Berlin (Reuters) – Die deutsche Industrie hat zu Jahresbeginn und damit noch Wochen vor Ausbruch des Krieges in der Ukraine ein dickes Auftragsplus eingefahren.
Die Unternehmen sammelten im Januar 1,8 Prozent mehr Bestellungen ein als im Vormonat, wie das Statistische Bundesamt am Montag mitteilte. Von Reuters befragte Experten hatten lediglich mit plus 1,0 Prozent gerechnet. Der Januar markierte damit die dritte Aufwärtsbewegung in Folge. Doch der Krieg in der Ukraine lastet laut Bundeswirtschaftsministerium auf den Aussichten: “Die aktuellen geopolitischen Entwicklungen bergen enorm hohe Unsicherheiten bezüglich der weiteren Entwicklung der Nachfrage.”
Die Exporteure haben schon vor Beginn der russischen Invasion in der Ukraine einen unerwarteten Rückschlag verzeichnet. Ihre Ausfuhren fielen im Januar um 2,8 Prozent niedriger aus als im Vormonat. Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) befürchtet mit Blick auf die Exporte ein “dunkles Jahr”.
Laut dem Kieler Institut für Weltwirtschaft (IfW) hat sich das globale Umfeld eingetrübt. Der internationale Handel stand im Februar bereits im Bann des Krieges in der Ukraine, wie der von den Forschern entwickelte Frühindikator “Kiel Trade Indicator” zeigt. Für fast alle Volkswirtschaften sind die Vorzeichen des Barometers für den Februarhandel negativ.
In Deutschland dürften die Importe im Vergleich zum Januar demnach ungewöhnlich stark zurückgehen (-3,9 Prozent), auch die Exporte dürften sinken (-3,8 Prozent). “Obwohl der Konflikt zwischen Russland und der Ukraine erst in der letzten Februarwoche eskalierte, scheinen Unsicherheit, Sanktionen und vermehrte Warenkontrollen zur Einhaltung der Sanktionen den Handel jetzt schon nachhaltig zu beeinträchtigen” so Vincent Stamer, Leiter des Kiel Trade Indicator.
“SCHNEE VON GESTERN”
Wegen des Ukraine-Kriegs sei der Auftragszuwachs der deutschen Industrie im Januar “nicht mehr als Schnee von gestern”, meint Chefökonom Alexander Krüger von der Privatbank Hauck Aufhäuser Lampe. Problematisch sei, dass Unternehmen immer aufs Neue gehindert würden, Aufträge endlich abzuarbeiten: “Jetzt klingt die Corona-Pandemie ab, da tritt mit dem Ukraine-Krieg gleich eine neue Konjunkturbremse zutage.”
Commerzbank-Ökonom Ralph Solveen verweist auf Lieferkettenprobleme, die sich mit dem bewaffneten Konflikt in Osteuropa zu verschärfen drohten: Unter anderem beziehe die Automobilindustrie viele Vorprodukte aus der Ukraine, so dass der Ausfall von Lieferungen die Industrieproduktion erneut bremsen würde. Die Ukraine ist beispielsweise ein wichtiges Herkunftsland von Kabelbäumen für die Autobranche. Kabelbäume gehören zu den Bauteilen in einem Auto, die nicht nachgerüstet werden können – anders als etwa Halbleiter, die auch erst zu einem späteren Zeitpunkt eingebaut werden können.