Regierung nimmt Kurs auf Rekordverschuldung

– von Holger Hansen und Christian Krämer

Berlin (Reuters) – Die Bundesregierung hat den Haushalt für 2022 auf den Weg gebracht und damit Kurs gesetzt, die Rekordneuverschuldung aus dem Jahr 2021 möglicherweise noch zu übertreffen.

Allein für dieses Jahr plant Finanzminister Christian Lindner (FDP) knapp 200 Milliarden Euro an neuen Schulden, davon 99,7 Milliarden Euro im Kernhaushalt und 100 Milliarden Euro für ein Sondervermögen Bundeswehr. Damit sollen die Streitkräfte als Folge des Krieges in der Ukraine besser ausgerüstet werden. Noch vor Verabschiedung des Etats im Juni durch den Bundestag will Lindner einen Ergänzungshaushalt vorlegen, der weitere Kredite zur Linderung der finanziellen Auswirkungen des Krieges vorsehen könnte. “Die aktuell veranschlagte Nettokreditaufnahme wird daher sicherlich noch angepasst werden müssen”, erklärte SPD-Haushälter Dennis Rohde. Ähnlich hatte sich zuvor auch schon Grünen-Haushälter Sven-Christian Kindler geäußert.

Im vergangenen Jahr hatte der Bund 215,4 Milliarden Euro an neuen Schulden aufgenommen und damit so viel wie nie zuvor in einem Jahr. Lindner erreichte mit seinem Etat-Entwurf nun zumindest vorläufig das selbstgesteckte Ziel, im Kernhaushalt die von der alten Bundesregierung geplante Neuverschuldung für 2022 von 99,7 Milliarden Euro vorerst nicht zu übertreffen. Seine vom Kabinett gebilligte Finanzplanung bis 2026 sieht zudem vor, dass der Bund ab 2023 die grundgesetzliche Schuldenbremse mit einer Neuverschuldung von 7,5 Milliarden Euro wieder einhält. Für dieses Jahr muss der Bundestag die Schuldenbremse das dritte Jahr in Folge aussetzen, um die hohe Verschuldung zu erlauben.

BAU UND VERTEIDIGUNG FREUEN SICH ÜBER MEHR GELD

Im Haushaltsentwurf sind Mehrausgaben und Mindereinnahmen durch das dritte Jahr der Corona-Pandemie berücksichtigt, mit der die Regierung die hohe Neuverschuldung und die erneute Ausnahme von der Schuldenbremse begründet. Dazu gehören Unternehmenshilfen von zehn Milliarden Euro und ein Zuschuss von 28,5 Milliarden Euro an die Gesetzliche Krankenversicherung.

In der Finanzplanung bis 2026 hebt die von SPD, Grünen und FDP gebildete Regierung die Ausgaben im Energie- und Klimafonds hervor, der künftig Klima- und Transformationsfonds (KTF) heißt. Von 2022 bis 2026 sollen über 200 Milliarden Euro etwa in die Energiewende und den Umbau der Wirtschaft zur CO2-freien Produktion fließen. Aber auch die Abschaffung des Strompreis-Aufschlages für Erneuerbare Energien wird daraus finanziert.

Für die Förderung des sozialen Wohnungsbaus stellt der Bund bis zum Jahr 2026 rund 14,5 Milliarden Euro zur Verfügung. “Das ist mehr als das Dreifache der ursprünglichen Finanzplanung, die vier Milliarden Euro bis 2025 vorgesehen hatte”, erklärte Bauministerin Klara Geywitz (SPD). “Damit werden wir den Bau von 100.000 Sozialwohnungen jährlich fördern.”

Verteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD) erklärte: “Mit umfassenden Investitionen werden wir unsere Bundeswehr zu einer leistungsfähigen und hochmodernen Armee ausbauen.” Die für 2022 geplanten Ausgaben von 50,33 Milliarden Euro im regulären Etat seien sieben Prozent mehr als das Haushalts-Soll 2021. Bis 2026 seien es dann jährlich 50,1 Milliarden Euro. Aus dem neuen Sondervermögen könnten Großvorhaben wie die Tornado-Nachfolge finanziert und “mit hoher Priorität auch die persönliche Ausrüstung der Soldatinnen und Soldaten verbessert werden”.

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hatte drei Tage nach dem russischen Angriff auf die Ukraine erklärt, Deutschland werde ab sofort die Nato-Vorgabe erfüllen, zwei Prozent der Wirtschaftsleistung in Verteidigung zu investieren. Das sind jährlich etwa 70 Milliarden Euro. Der reguläre Etat wird dazu aus dem Sondervermögen aufgestockt. Der Wirtschaftsplan für die konkrete Ausgabenplanung des Sondervermögens soll bis zur Etat-Verabschiedung im Juni vorliegen. Das Kabinett brachte am Mittwoch Gesetze zur Errichtung des Fonds auf den Weg. Für die geplante Verankerung im Grundgesetz benötigt die Ampel auch die Zustimmung der Union in Bundestag und Bundesrat.

tagreuters.com2022binary_LYNXNPEI2F0DW-VIEWIMAGE