– von Pavel Polityuk
Kiew (Reuters) – Russland verstärkt nach Angaben aus amerikanischen und britischen Geheimdienstkreisen einen massiven Truppenaufmarsch an der Ostgrenze der Ukraine.
Zugleich setzen russische Truppen im Donbass im Osten der Ukraine ihre Angriffe fort. Die russischen Streitkräfte versuchten dort, die ukrainischen Verteidigungslinien zu durchbrechen, teilte der britische Militärgeheimdienst in einem neuen Lagebericht mit. Ukrainische Behörden meldeten russische Angriffe in mehreren Regionen und Städten.
Das russische Verteidigungsministerium stellte den Verteidigern in der weitgehend zerstörten und belagerten südostukrainischen Stadt Mariupol erneut ein Ultimatum, um sich zu ergeben. Bis 14.00 Uhr Moskauer Zeit (13.00 Uhr MESZ) sollten die verbliebenen Soldaten ihre Waffen niederlegen. Die ukrainische Regierung teilte mit, dass man mit Russland eine vorläufige Vereinbarung über die Einrichtung eines humanitären Korridors zur Evakuierung von Frauen, Kindern und älteren Menschen aus der belagerten Stadt Mariupol getroffen habe. Seit die russische Führung ihre Ziele bei der am 24. Februar begonnenen Invasion neu definiert hat, gilt die Eroberung der rohstoffreichen Donbass-Region als Hauptanliegen.
Westliche Staaten wie die USA, Großbritannien, Deutschland und Frankreich hatten am Dienstag verabredet, der Ukraine auch schwerere Waffen zu liefern. Norwegen kündigte am Mittwoch an, 100 Luftabwehrraketen vom Typ Mistral zu liefern. Die Waffen seien bereits verschifft worden, teilte das norwegische Verteidigungsministerium mit.
US-Präsident Joe Biden wird Insidern zufolge in den kommenden Tagen ein weiteres Militärhilfepaket für die Ukraine ankündigen. Es werde in etwa den gleichen Umfang wie das in der vergangenen Woche aufgelegte 800-Millionen-Dollar-Paket haben, sagten mehrere mit der Angelegenheit vertraute Personen. Die Details würden noch ausgearbeitet, erklärte einer der Insider. Damit würden sich die US-Militärhilfen für die Ukraine seit dem Einmarsch Russlands im Februar auf weit über drei Milliarden Dollar belaufen.
Die Bundesregierung hatte vergangenen Freitag beschlossen, der Ukraine für mehr als eine Milliarde Euro Waffen zu liefern. Dies soll auf drei Wegen geschehen: durch Abgaben von Militärmaterial der Bundeswehr, direkte Käufe bei der Industrie für die Ukraine und Ersatzlieferungen an osteuropäische Länder, die ihrerseits Waffen aus russischer Produktion an die Ukraine abgeben. Kanzler Olaf Scholz betonte, dass man zusammen mit Partnern auch schwere Waffensysteme liefern werden. So werde man die USA und die Niederlande etwa bei der Lieferung von Artillerie unterstützen.
Die SPD-Co-Vorsitzende Saskia Esken wird noch am Mittwoch den ukrainischen Botschafter Andrij Melnyk treffen, der der SPD eine zu große Russland-Nähe vorgeworfen hatte und auf die Lieferung schwerer Waffen dringt. In der Regierung wurde allerdings betont, dass Waffenlieferungen nicht mit dem Botschafter, sondern direkt mit der Regierung in Kiew abgesprochen würden.
Russische Truppen waren am 24. Februar in die Ukraine einmarschiert. Die Regierung in Moskau bezeichnet ihr Vorgehen als Sondereinsatz zur Entmilitarisierung und Entnazifizierung. Sie weist Vorwürfe zurück, Zivilisten anzugreifen. Westliche Staaten sprechen hingegen von einem Angriffskrieg Russlands und Verbrechen gegen ukrainische Zivilisten. Fast fünf Millionen Menschen sind aus der Ukraine geflohen.