Israel weist Vorwurf des Völkermords von Amnesty International zurück

Den Haag (Reuters) – Israel hat den Vorwurf des Völkermords an den Palästinensern im Gazastreifen von der Menschenrechtsorganisation Amnesty International vehement zurückgewiesen.

Die Organisation sei fanatisch und der Bericht aus der Luft gegriffen, schrieb der Sprecher des israelischen Außenministeriums, Oren Marmorstein, am Donnerstag auf der Online-Plattform X. Der von Amnesty International vorgelegte Bericht sei völlig falsch und basiere auf Lügen. Amnesty hatte zuvor erklärt, der Tatbestand des Völkermords durch Israel an den Palästinensern sei gegeben. Dies hätte die monatelange Analyse von Vorfällen und Äußerungen israelischer Politiker ergeben.

Die Schlussfolgerung sei weder leichtfertig, politisch noch voreingenommen zustande gekommen, sagte Agnes Callamard, Generalsekretärin von Amnesty International bei der Vorstellung des Berichts. “Hier wird ein Völkermord begangen. Nach sechs Monaten eingehender und konzentrierter Recherchen besteht für uns kein Zweifel, nicht der geringste.” Israel hat wiederholt jegliche Vorwürfe des Völkermords zurückgewiesen. Es respektiere das Völkerrecht. Nach dem Angriff der radikal-islamischen Palästinenser-Organisation Hamas am 7. Oktober 2023 habe das Land das Recht, sich zu verteidigen. Bei dem Angriff kamen israelischen Angaben zufolge 1200 Menschen ums Leben, 250 wurden als Geiseln in den Gazastreifen verschleppt. Israel startete umgehend Vergeltungsschläge auf das schmale Küstengebiet mit seinen 2,3 Millionen Einwohnern. Nach palästinensischen Angaben wurden dort seither über 44.500 Palästinenserinnen und Palästinenser getötet. Fast die komplette Bevölkerung des Gazastreifens wurde innerhalb des Gebiets vertrieben, viele mehrfach.

Amnesty International kam in dem Bericht zu dem Schluss, dass Israel und das israelische Militär mindestens drei der fünf in der Völkermordkonvention von 1948 verbotenen Taten begangen hätten: Tötungen, die Verursachung schwerer körperlicher oder seelischer Schäden und die vorsätzliche Herbeiführung von Lebensbedingungen, die auf die physische Vernichtung einer geschützten Gruppe abzielten. “Die Behauptung, dass Israels Krieg im Gazastreifen ausschließlich auf die Zerschlagung der Hamas abzielt und nicht auf die physische Vernichtung der Palästinenser als nationale und ethnische Gruppe, diese Behauptung hält einer Überprüfung einfach nicht stand”, sagte Amnesty-Generalsekretärin Callamard.

Der israelische Ableger von Amnesty International distanzierte sich von dem Bericht der Dachorganisation. Er sei nicht in die Untersuchung einbezogen gewesen. Es sei nicht davon auszugehen, dass Israel im Gazastreifen einen Völkermord begehe. Das Töten und die Zerstörung im Gazastreifen hätten jedoch entsetzliche Ausmaße angenommen, hieß es in einer langen Erklärung. Deshalb müsse es eine Untersuchung wegen möglicher Verbrechen gegen die Menschlichkeit geben.

(Bericht von Stephanie van den Berg, Mitarbeit: Crispian Balmer in Jerusalem, geschrieben von Kerstin Dörr, redigiert von Christian Götz. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte)

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